Unternehmensanleihe – EZB-Ankaufprogramm bietet Chance für günstige Finanzierung

Am 1. Juni 2016 beginnt das Programm der EZB zum Ankauf von Unternehmensanleihen. Dies bietet für Unternehmen die Möglichkeiten, sich günstig am Kapitalmarkt zu finanzieren. Wie die Anleihen ausgestaltet sein müssen, damit sie auch vom Ankaufprogramm umfasst sind, erklärt Kapitalmarktexperte und Rechtsanwalt Dr. Oliver Völkel, LL.M. (Columbia) in seinem Beitrag.

Dr. Oliver VÖLKEL | 01.06.2016 | Bank- und Kapitalmarktrecht Seite drucken

Das EZB-Ankaufprogramm

Es war eine verzwickte Situation. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält die Leitzinsen niedrig und versorgt das Bankensystem durch den Kauf von Anleihen mit frischer Liquidität. Doch das Geld kommt kaum dort an, wo es die Realwirtschaft ankurbeln würde, nämlich bei den Unternehmen.

Der Grund dafür? Für Banken gelten strengere Richtlinien zur Kreditvergabe als früher (Stichwort Basel III). Obwohl viel Liquidität im Markt vorhanden ist, können Banken bestimmte Investitionen daher kaum finanzieren.

Im März 2016 hat die EZB ihren Plan bekannt gegeben, im Rahmen eines speziellen Ankaufprogramms künftig auch Unternehmensanleihen erwerben zu wollen. Am Tag der Veröffentlichung dieses Beitrags, am 1. Juni 2016,  beginnt das angekündigte Ankaufprogramm.

Win/Win-Situation für alle?

Für Unternehmen sind das erfreuliche Nachrichten. Bestimmte Anleihen können voraussichtlich mit höherer Nachfrage rechnen. Bis zu 70% des Volumens einer einzelnen Emission will die EZB aufkaufen, und zwar sowohl am Primär- als auch am Sekundärmarkt. Das Gesamtvolumen des Ankaufs kann bis zu 80 Milliarden Euro monatlich betragen.

Der Effekt des Nachfrageschubs auf die Risikoaufschläge einzelner Emittenten lässt sich gut vorhersagen: Die Finanzierungskosten werden aller Voraussicht nach fallen. Für Unternehmen kann es nun interessant sein, neue Anleihen zu begeben oder auch bestehende Anleihen zu refinanzieren.

Aber auch Banken können profitieren. Anstelle der klassischen Rolle als Kreditgeber begleiten sie Unternehmen bei der Anleiheplatzierung als Emissionsbank. Die Bank trägt das Risiko im besten Fall nicht auf ihren Büchern.

Welche Anleihen sind vom Ankaufprogramm erfasst?

Ein wesentlicher Eckpunkt des Ankaufprogramms der EZB ist die Beschränkung auf den Kauf von Anleihen, die als notenbankfähige Sicherheiten verwendet werden können. Nicht jede Unternehmensanleihe ist damit gleichermaßen geeignet. Es empfiehlt sich daher, die Bedingungen bei Neuemissionen so zu gestalten, dass die Anleihen als notenbankfähige Sicherheiten verwendet werden können.

Unternehmen mit Sitz in Eurozone

Für das Ankaufprogramm kommen nur Anleihen von Unternehmen mit satzungsmäßigem Sitz in der Eurozone in Betracht. Auf den Sitz von übergeordneten Konzern-Gesellschaften soll es aber ausdrücklich nicht ankommen. Auch Anleihen von Unternehmen, deren Konzernleitung außerhalb der Eurozone liegt, kommen damit für den Erwerb durch die EZB in Betracht.

Kein Mindestvolumen, aber 6 Monate Mindestlaufzeit

Die EZB hält ausdrücklich fest, dass kein Mindestemissionsvolumen vorgeschrieben wird. Damit soll sichergestellt werden, dass auch Anleihen kleinerer und mittlerer Unternehmen angekauft werden. Es werden jedoch Vorgaben zur Laufzeit gemacht. Nur solche Anleihen kommen infrage, deren Laufzeit zumindest sechs Monate und höchstens 30 Jahre beträgt.

Euro-Anleihen und Börsenotierung

Für das Anleihekaufprogramm kommen nur auf Euro lautende Schuldverschreibungen infrage. Die Anleihen müssen stückelos, also buchmäßig übertragbar sein. Eine Verbriefung in Einzelurkunden scheidet damit aus. Die Anleihen müssen an einem geregelten Markt oder an einem „zugelassenen nicht geregelten Markt“ notieren. In Österreich ist der Dritte Markt der Wiener Börse ein solcher zugelassener nicht geregelter Markt.

Verzinsung

Nicht jede Form der Verzinsung kommt für das Ankaufprogramm infrage. Zulässig sind fix verzinste Anleihen, Nullkupon-Anleihen und variabel verzinste Papiere. Als quasi vor die Klammer gezogene Einschränkung darf die Verzinsung weder zu einem negativen Zinssatz noch zu einem negativen Cashflow führen. Sowohl das rechnerische Absinken des Zinssatzes unter null ist somit unzulässig wie auch das potentielle Entstehen einer „umgekehrten“ Zahlungspflicht von Zeichner zu Emittent.

Rückzahlungsbedingungen

Die Anleihen müssen entweder auf einen festen Rückzahlungsbetrag lauten oder auf einen variablen Betrag, der jedoch nur an einen Inflationsindex im Euroraum geknüpft sein darf. Weiters muss die Rückzahlung unbedingt erfolgen, darf also nicht an Bedingungen geknüpft sein. Auch nachrangige Anleihen, deren Rückzahlung im Fall einer Insolvenz erst nach allen anderen Verbindlichkeiten des Unternehmens erfolgt, scheiden für das Ankaufprogramm aus.

Rating: Mindestens Investment-Grade

Die Anleihen müssen zumindest ein Emissionsrating eines zugelassenen Ratinginstituts in Form eines öffentlichen Ratings aufweisen. Das Rating muss mindestens der Bonitätsstufe 3 entsprechen. Zugelassene Ratinginstitute sind derzeit Dominion Bond Ratings Services (DBRS), FitchRatings, Moody’s und Standard & Poor’s. Der Bonitätsstufe 3 entsprechen derzeit die Ratings BBBH bis BBBL (DBRS), BBB+ bis BBB (FitchRatings und Standard & Poor’s) sowie Baa1 bis Baa3 (Moody’s).

Für einige Emittenten kann die Einholung eines Ratings eine (finanzielle) Hürde darstellen, oder wegen der Preisgabe von Interna von vornherein ausscheiden. Um für den Ankauf durch die EZB in Betracht zu kommen, ist jedoch kein Rating der Gesellschaft selbst erforderlich; es ist vielmehr ein Rating der einzelnen Emission ausreichend. Dies kann eine Erleichterung darstellen, etwa wenn für eine Emission gesondert Sicherheiten zur Verfügung gestellt werden wie etwa im Fall der Verpfändung von Liegenschaften oder künftiger Forderungen gegenüber Kunden.

Ausblick

Das neue Anleihekaufprogramm der EZB könnte Unternehmen die Chance auf eine günstige Neu- oder Refinanzierung bieten. Die rechtlichen Anforderungen an solche Unternehmensanleihen werden von der EZB klar vorgegeben. Für die Vorbereitung der Anleiheplatzierung sollten etwa zwei Monate eingeplant werden. Unternehmen können also bereits jetzt überlegen, künftige Investitionen mittels Anleihen zu finanzieren.

 

Dr. Oliver Völkel, LL.M. (Columbia) ist Gründer und Partner der Kanzlei Stadler Völkel Rechtsanwälte. Er berät Unternehmen in allen Größenklassen unter anderem in den Bereichen Bank- und Kapitalmarktrecht, Liegenschafts- und Immobilienrecht, Medizinrecht und Mergers & Acquisitions. Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Dr. Oliver Völkel bei meinanwalt.at sowie auf der Website der Kanzlei Stadler Völkel Rechtsanwälte.

 

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