Tipps zur Scheidung in Österreich für Kroaten

Es passiert sehr oft, dass Eheleute, die von der Nationalität her Kroaten sind, sehr überrascht reagieren, wenn sie sich in Österreich scheiden lassen wollen, oder wenn es einfach um familiäre Probleme geht. Es gibt viele Unterschiede zum kroatischen Familien- und Scheidungsrecht, welche die Kroaten einfach nicht erwarten.

Mag. iur. Daisy Vlatka ADLER | 26.05.2020 | Familienrecht Seite drucken

Wir möchten aber betonen, daß es nicht sein muß, dass im Fall einer Scheidung österreichisches Familienrecht zur Anwendung kommt. Alles hängt davon ab, wann die Ehe geschlossen wurde, wo die Leute zuletzt gemeinsam gelebt haben, ob irgendwelche Eheverträge oder Ehepakte geschlossen wurden usw. Mit anderen Worten, es hängt davon ab, welches materielle Familienrecht bzw. Scheidungsrecht zur Anwendung kommt.

Wir wollen Ihnen hier die vier größten Unterschiede darstellen, mit denen sich Eheleute aus Kroatien im Fall einer Scheidung oder Auseinandersetzungen in der Familie in Österreich beschäftigen müssen.

Verschuldensprinzip

Alles beginnt damit, dass das kroatisches Familienrecht keine „Schuld“ bei der Scheidung kennt. In Kroatien genügt für die Scheidung in der Regel, dass „die Naturen“ der Eheleute „nicht übereinstimmen“.

Das Verschuldensprinzip und seine Bedeutung im österreichischen Scheidungs-und Scheidungsfolgenrecht spielt eine große Rolle. Das erstreckt sich vor allem auf die für Frauen in Österreich besonders wichtigen Fragen wie dem nachehelichen Unterhalt und die Witwenpension. Man kann sich in Österreich auch aus anderen Gründe scheiden lassen. Trotzdem, wenn es um die Scheidung aus Verschulden kommt, ist das für die Leute aus Kroatien im Prinzip sehr fremd. Und zwar besonders aus zwei Gründe. Einmal, weil die Kroaten bei der Scheidung, in der Regel, nicht versuchen den anderen „schlecht“ zu machen und dem anderen irgendein Verschulden zu geben, weil das bei Gericht gar keine Rolle spielt.

Weiters, weil die Eheleute aus Kroatien nicht gewohnt sind, dass nach der Scheidung dem Ehegatten ein Unterhalt bezahlt wird. In Kroatien ist es üblich, dass fast alle Frauen, die arbeitsfähig sind, arbeiten und eigenes Geld verdienen. Demzufolge spielt der Ehegattenunterhalt in Kroatien fast gar keine Rolle. Über den Ehegattenunterhalt wird im nächsten Absatz mehr gesagt.

Unterhalt für den Ehepartner

Das kroatische Familienrecht hat zwar einen Artikel vorgesehen, in dem der Ehegattenunterhalt bei der Scheidung geregelt ist. In der Praxis kommt das aber sehr, sehr selten vor. Das sind dann solche Fälle, wo einer der Ehepartner in einem Ausmaß arbeitsunfähig ist, dass es nicht zumutbar oder möglich wäre, sich selbst zu erhalten, und er oder sie auch kein eigenes Vermögen hat, um sich zu erhalten.

Im Gegensatz zu Kroatien kommt die Verpflichtung zu einer Unterhaltszahlung für den Ehepartner nach der Scheidung in Österreich sehr oft vor. Es wird tatsächlich damit gerechnet, dass in der Regel die Ehefrau nach der Scheidung vom Ex-Ehemann noch einige Zeit, wenn auch nicht bis zum Ende des Lebens Unterhalt bekommt.

Nach den österreichischen Richtsätze zur Berechnung des Ehegattenunterhaltes, ein nicht berufstätiger Ex-Ehegatte hat Anspruch auf cca 33% des zusammengerechneten monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkommens. Wenn beide Ehegatten Einkommen haben, bekommt die bzw. der Ehepartner, der weniger verdient, cca 40% des addierten Nettoeinkommens abzüglich Eigenverdienst. Diese Prozentsätze sind manchmal für die Eheleute aus Kroatien überraschend.

Wie in Kroatien ist es auch in Österreich vollkommen klar, dass nach der Scheidung Unterhalt für die Kinder zu bezahlen ist. Dass daneben noch zusätzlich ein Ehegattenunterhalt bezahlt werden könnte, wissen viele Eheleute aus Kroatien nicht.

Kontaktrecht mit den Kindern

Nach dem kroatischen Familienrecht ist die Ausübung der Obsorge gemeinsam. Die Eltern haben das Recht und die Pflicht, die elterliche Sorge gleichberechtigt, gemeinsam und einvernehmlich auszuüben. Das Gericht kann zwar entscheiden, dass die Obsorge nur bei einem Elternteil liegt, aber solche Entscheidungen sind sehr selten und dafür müssen besondere Gründe vorliegen.

Der Elternteil, bei dem die Kinder nicht leben, übt das Kontaktrecht in sehr regelmäßigen und dichten Abständen aus. D.h. konkret, dass z.B. der Vater, bei dem das Kind nicht lebt, das Kind zweimal pro Woche ein paar Stunden bei sich hat, sehr oft sogar mit einer Übernachtung in der Woche, und dazu jedes zweite Wochenende vom Freitag-Nachmittag bis Sonntag-Abend.

In Österreich ist die Obsorge auch gemeinsam, aber die Möglichkeit, dass das Gericht die alleinige Obsorge nur einem Elternteil gibt, ist grösser als in Kroatien. Wenn es alleinige Obsorge gibt, dann liegt diese in der Regel bei der Mutter.

Es kann auch passieren, dass das Kontaktrecht nicht so dicht wie in Kroatien bestimmt wird, sondern z.B. jedes zweite Wochenende, was für die kroatischen Elternteile schon überraschend und unerwartet vorkommen kann.

Betretungs-und Annäherungsverbot für 14 Tage

Das österreichische Recht kennt die Möglichkeit des Betretungs-und Annäherungsverbots zum Schutz vor Gewalt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts (=Polizei) sind ermächtigt, unter bestimmten Voraussetzungen das Betreten einer Wohnung, in der ein Gefährdeter oder eine Gefährdete wohnt, samt einem Bereich im Umkreis von hundert Metern zu untersagen. Damit ist auch ein Verbot der Annäherung im Umkreis von hundert Metern verbunden.

Das Betretungs-und Annäherungsverbot endet zwei Wochen (14 Tage) nach seiner Anordnung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es längstens vier Wochen dauern.

Im konkreten Fall kann das heißen, dass z.B. der Ehemann für 14 Tage die Wohnung, wo er üblicherweise mit seiner Familie wohnt, nicht betreten darf, und sich auch seiner Ehefrau nicht mehr als auf 100 Meter nähern darf.

Das kroatische Recht kennt zwar die Möglichkeiten eines Betretungs-und Annäherungsverbot ebenfalls, aber dies muß vom Gericht angeordnet werden, und üblicherweise passieren es nicht „von heute auf morgen“.

Deswegen kommt öfters vor, dass kroatische Eheleute nicht davon ausgehen, dass so ein Betretungs-und Annäherungsverbot wegen häuslicher Gewalt „von heute auf morgen“ möglich ist, und so was überhaupt nicht erwarten.

Es kann auch ziemlich unerwartete und ungeplante Kosten verursachen, da im konkreten Fall die Kosten eines Hotels oder Gasthofs für mindestens 14 Tage zu zahlen sind.

>>> Autorin Mag.iur. Vlatka Adler

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