Beim Crowdfunding nimmt ein Unternehmen geringe Kapitalbeträge bei einer Vielzahl von Anlegern auf. In der Regel wird eine Reihe von standardisierten qualifiziert nachrangigen Darlehensverträgen mit Verbrauchern abgeschlossen. In den Verträgen verpflichtet sich der Anleger, einen gewissen Geldbetrag für eine gewisse Zeitspanne zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen verpflichtet sich zur Zinszahlung und Rückzahlung des geliehenen Kapitals am Ende der Laufzeit.
Bei Nachrangdarlehen handelt es sich um eine für Anleger riskante Form der Veranlagung. Durch die qualifizierte Nachrangklausel stimmt der Anleger zu, dass seine Forderungen erst nach allen anderen Forderungen nicht nachrangiger Gläubiger beglichen werden. Außerdem erfolgen nur dann Zins- und Kapitalzahlungen, wenn die Zahlung für das Unternehmen möglich ist (vereinfacht ausgedrückt) ohne es wirtschaftlich zu gefährden.
Nachrangdarlehen sind alternative Finanzinstrumente im Sinn des § 2 Z 2 AltFG. Nach den Regeln des AltFG dürfen Unternehmen alternative Finanzinstrumente öffentlich anbieten, sofern jeweils nicht mehr als 1,5 Millionen Euro auf diese Weise aufgenommen werden und die von einem einzelnen Anleger innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten entgegengenommenen Beträge (in der Regel) nicht mehr als 5 000 Euro betragen.
Nachrangdarlehen werden also grundsätzlich auch vom Gesetz als alternative Finanzierungsformen akzeptiert. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz hat aber entschieden, dass die konkrete Form der qualifizierten Nachrangklauseln gegenüber Verbrauchern gröblich benachteiligend ist. Nach dieser Entscheidung dürften klassische Nachrangdarlehen also mit Verbrauchern nicht geschlossen werden.
Konkret war über folgende Klausel zu entscheiden: „Der [Darlehensgeber = Anleger] tritt für den Fall der Insolvenz hiermit mit seinen Forderungen unwiderruflich im Rang hinter sämtliche Forderungen […] anderer Gläubiger […] zurück. Der [Anleger] kann seine Forderungen aus dem Nachrangdarlehensvertrag nicht vor, sondern nur gleichrangig mit den Einlagenrückgewähransprüchen der [Emittentin] verlangen (qualifizierter Rangrücktritt). Außerhalb der Insolvenz verpflichtet sich der [Anleger], seine Forderungen solange und soweit nicht geltend zu machen, wie die teilweise oder vollständige Befriedigung dieser Forderung zu einer zum Insolvenzantrag verpflichtenden Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des [Emittenten] führen würde. […]“
In der Urteilsbegründung führt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz aus, dass diese Klausel nicht den gesetzlichen Regelungen zum Darlehensvertrag entspreche. Grundsätzlich kann von diesen Regeln abgewichen werden, dies bedarf jedoch einer sachlichen Rechtfertigung. Die Klausel würde massiv in grundlegende Regelungen zum Darlehensvertrag eingreifen, weil das unternehmerische Risiko auf den Anleger übertragen wird, während er nicht an einem möglichen unternehmerischen Erfolg des Unternehmens teilnehmen würde. Dieses Ungleichgewicht könne auch nicht durch unüblich hohe Zinsen ausgeglichen werden.
Weiters führte das Gericht aus, dass die Anerkennung nachrangiger Darlehen durch das AltFG eine solche Nachrangigkeit nur dann rechtfertigen würde, wenn dies die einzige Möglichkeit wäre, derartige gesetzlich anerkannte Finanzierungsformen umzusetzen. Ein Modell, bei dem der Anleger am unternehmerischen Erfolg partizipiert, sei faktisch möglich und wohl auch zulässig. Das Modell einer einseitigen Verschiebung des wirtschaftlichen Risikos sei aber gröblich benachteiligend und daher unzulässig. Das Gericht sah daher die Überwälzung des unternehmerischen Risikos (downside) ohne Möglichkeit am Erfolg teilzunehmen (upside), als das zentrale Argument für die Unzulässigkeit der Nachrangklausel.
Nachrangdarlehen werden von Unternehmen in der Regel deshalb als Finanzierungsform gewählt, weil mit vergleichsweise geringem Aufwand mit einer größeren Anzahl von Anlegern gleichlautende Vereinbarungen über die Gewährung von Geldern abgeschlossen werden können. Vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung herrscht nun zumindest Rechtsunsicherheit, wie mit Nachrangdarlehen in Zukunft umgegangen wird.
Als Alternative bietet sich bereits jetzt an, Finanzierungen anstelle durch Nachrangdarlehen durch die Emission von Anleihen aufzustellen. Der Prozess für die Begebung von Anleihen ist geringfügig aufwändiger als die Begebung von Nachrangdarlehen. Einen Überblick über die notwendigen Schritte finden Sie hier. Nicht zuletzt wegen des jüngsten Ankaufprogramms der EZB kann dies für Unternehmen nun eine günstige Form der Finanzierung darstellen.
Die Emission von Anleihen zur Unternehmensfinanzierung anstelle einer Kreditaufnahme kann rechtliche und steuerliche Vorteile bieten. Die Entwicklungen am Anleihemarkt der vergangenen Jahre machen einen Einstieg für Unternehmen nun attraktiv. Stadler Völkel Rechtsanwälte und Moore Stephens Interaudit bieten in Kooperation interessierten Unternehmen alle Leistungen für die erfolgreiche Anleiheplatzierung aus einer Hand. Weiterführende Informationen finden Sie hier.
Dr. Oliver Völkel, LL.M. (Columbia) ist Gründer und Partner der Kanzlei Stadler Völkel Rechtsanwälte. Er berät Unternehmen in allen Größenklassen unter anderem in den Bereichen Bank- und Kapitalmarktrecht, Liegenschafts- und Immobilienrecht, Medizinrecht und Mergers & Acquisitions. Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Dr. Oliver Völkel bei meinanwalt.at sowie auf der Website der Kanzlei Stadler Völkel Rechtsanwälte.
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