Hilfe bei Ablehnung der Rechtsschutzdeckung

Es tritt ein Schadensfall ein, jedoch weist die Rechtsschutzversicherung die Abdeckung dessen ab. Die Details der Rechtsschutzdeckung müssen überprüft werden, am besten durch einen fachkundigen Rechtsanwalt. Denn in manchen Fällen, kann doch noch von der Rechtsschutzdeckung Gebrauch gemacht werden.

Mag. David GRIESBACHER | 27.02.2023 | Versicherungsrecht Seite drucken

1. Kein Versicherungsschutz trotz abgeschlossener Rechtsschutzversicherung:

Es mehren sich folgende Fälle: Es ergibt sich ein (Schadens-)Ereignis und man benötigt eine Rechtsvertretung. Dem beauftragten Rechtsanwalt teilt man noch ohne sich viele Gedanken darüber zu machen mit, dass die Bezahlung kein Problem darstelle, weil man eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen habe. Kurz darauf die Ernüchterung: Die Deckungsanfrage des Rechtsfreundes bei der Rechtsschutzversicherung ergibt, dass „für den gegenständlichen Fall keine Deckung bestehe“. Eine detaillierte Begründung der Rechtsschutzversicherung bleibt oft aus.

Wozu hat man also über all die Monate oder sogar Jahre monatlich seine Versicherungsprämien einbezahlt?

An dieser Stelle möchte ich einhaken. Denn erfahrungsgemäß sollte man bei einer Deckungsablehnung nicht allzu schnell aufgeben und am besten durch einen Rechtsfreund die Polizze in Zusammenhang mit dem konkreten Schadensfall prüfen lassen. Denn auch, wenn die Rechtsschutzversicherung eine Deckung im ersten Anlauf ablehnt, bedeutet dies nicht, dass keine Deckung gegeben ist. Notfalls kann diese auch gerichtlich mittels Deckungsklage (RS0081927) durchgesetzt werden.

 

2. Wissenswertes:

Rechtsschutzversicherung ist nicht gleich Rechtsschutzversicherung:

Üblicherweise bieten Rechtsschutzversicherungen unterschiedliche „Bausteine“ bzw. versicherte Sparten an und es sind nicht automatisch sämtliche Rechts- bzw. Lebensbereiche (mit-)versichert. Schon bei Abschluss der Rechtsschutzversicherung ist es deshalb sehr wichtig, jene Sparten zu versichern, die man für sich selbst bzw. sein Unternehmen für wichtig erachtet bzw. die den eigenen Bedarf widerspiegeln.

Zu beachten gilt es unter diesem Gesichtspunkt, dass

1. bei gewissen Sparten (unterschiedlich lange) Wartefristen einzuhalten sind. (Achtung: Für Rechtsfälle, die vor bzw. während der Wartefristen entstehen besteht (generell) kein Versicherungsschutz);

2. es Unterschiede geben kann, wie weit ein Rechtsschutz örtlich (bzw. national / international) reicht;

3. manche Rechtsbereiche grundsätzlich nicht rechtsschutzversichert werden können bzw. von diesem generell nicht umfasst sind (z.B.: Vermögensanlage/Investments, Baurecht, Glücksspiel/Wetten, Patent- und Urheberrecht, ua).

Darüber hinaus haben die Versicherungen in ihren ARB (Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung) oft eine Klausel enthalten, die Deckung lediglich bei „hinreichend Aussicht auf Erfolg“ gewährt.

Auf die zuletzt erwähnte Klausel möchte ich aufgrund eines jüngeren bezirksgerichtlichen Urteils näher eingehen und ich werde versuchen darzustellen, wie das Gericht den Sachverhalt betreffend einer Deckungsklage grundsätzlich beurteilt.

3. Anwendungsbeispiel - Deckungsablehnung „mangels Erfolgsaussichten“:

3.1 Fall

Ausgangslage: Vertragsgrundlage war die abgeschlossene Rechtsschutzversicherungspolizze. Die Klägerin begehrte Deckungsschutz für den Schadensfall im Umfang des Rechtsschutzversicherungsvertrags, mit der folgenden Begründung: Sie sei mit dem Klagsfahrzeug mit 70 km/h auf der S2 auf der Überholspur unterwegs gewesen, als das vor ihr fahrende Auto (in weiterer Folge kurz „Unfallgegner“), auf die rechte Spur wechselte und seine Geschwindigkeit verlangsamte. Bei nasser und dunkler Fahrbahn habe die Klägerin daher bei gleichbleibender Geschwindigkeit den Unfallgegner überholt, als dieser wieder auf die linke Spur gewechselt sei und mit Fernlicht direkt hinter das Klagsfahrzeug beschleunigt habe. Da sie aufgrund der Blendung durch das Fernlicht und dem geringen Abstand in ihrer Fahrsicherheit gestört gewesen sei, habe sie bei nächster Gelegenheit auf die rechte Spur gewechselt. Der Unfallgegner habe sie jedoch überholt, sich unmittelbar vor sie gereiht und stark abgebremst, offensichtlich um sie zu provozieren oder einzuschüchtern. Um der Situation auszuweichen, habe sie wiederum den Unfallgegner auf der linken Fahrspur überholt. Sie habe während der Geschehnisse mit ihrem Lebensgefährten telefoniert, der den ganzen Unfall mitbekommen habe. Diese Überholmanöver seien ein paar Mal wiederholt worden, als die Klägerin erneut auf die rechte Spur gefahren sei und der Unfallgegner (der sich bereits auf der rechten Fahrbahn befand) plötzlich beschleunigt und sie dadurch angefahren habe, wodurch sich das Klagsfahrzeug mehrfach überschlagen habe.

 

Die Klägerin war der Ansicht, den Unfallgegner treffe die alleinige Schuld am Unfall und sie war bestrebt, gegen den Unfallgegner einen Prozess einzuleiten. Dazu stellte die Klägerin bzw. ihr Rechtsfreund eine Deckungsanfrage bei ihrer Rechtsschutzversicherung. Die Rechtsschutzversicherung verweigerte die Deckung mit der Begründung, es bestehe bei einem allfälligen Prozess gegen den Unfallgegner keine (bzw. nicht ausreichend) Aussicht auf Erfolg.

 

In weiterer Folge ließ die (eigene) Rechtsschutzversicherung auch nicht mit sich reden. Aus diesem Grund blieb der Klägerin nur noch der Klageweg – eine Deckungsklage – gegen die eigene Rechtsschutzversicherung offen.

 

Im Verfahren selbst bestritt die Rechtsschutzversicherung das Klagebegehren und wendete ein, es bestehe bei einem allfälligen Prozess gegen den Unfallgegner keine Aussicht auf Erfolg. Sie habe daher das Recht, die Kostenübernahme abzulehnen. Die Klägerin habe sich ein Überholspektakel geliefert und hätte auch einfach ihre Geschwindigkeit drosseln können. Sie habe zudem in der prekären Situation noch weiter telefoniert, wodurch sich das Gesamtrisiko erhöht habe. Sie habe beim Abbiegen auf die rechte Spur offensichtlich den Unfallgegner aufgrund geringer Sorgfalt – gepaart mit einer den Witterungsbedingungen nicht angepasster Fahrweise und Geschwindigkeit – schlichtweg übersehen. Die Angaben der Klägerin seien ebenfalls unglaubwürdig und unschlüssig, weil eine Blendung aufgrund der Karosserie, welche hinten abgedeckt war, ausgeschlossen werden könne.

3.2 Entscheidung:

Das Gericht hat dem Begehren der Klägerin – nämlich Feststellung des Bestehens des Deckungsschutzes durch die Rechtsschutzversicherung – stattgegeben. Dies mit folgender (rechtlichen) zusammengefassten Begründung:

 

„Bei der Erfolgsaussichtenprüfung nach den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung können die zur Prozesskostenhilfe entwickelten Grundsätze übernommen werden. Die vorzunehmende Beurteilung, ob „keine Aussicht auf Erfolg" besteht, hat sich am Begriff „nicht als offenbar aussichtslos" des die Bewilligung der Verfahrenshilfe regelnden § 63 ZPO zu orientieren (OGH zur GZ: 7 Ob 17/12v).

 

Offenbar aussichtslos" ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann (insbesondere bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand). Anders formuliert:  Ist der Sachverhaltsvortrag des Versicherungsnehmers nicht von vornherein unschlüssig oder offensichtlich unrichtig, so kann der Versicherer Versicherungsschutz nur ablehnen, wenn die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Aussicht auf einen Verfahrenserfolg muss nicht groß, zumindest aber mit einer gewissen, wenn auch nicht allzu großen Wahrscheinlichkeit gegeben sein. (LGZ Wien zur GZ: 45 R 557/08g; 7 Ob 47/02s).

Diese Erfolgsaussichtenprüfung ist anhand der im Zeitpunkt der Meldung des Versicherungsfalles vorliegenden Informationen durchzuführen. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist auf Grund einer Prognose – im Fall eines bereits laufenden Haftpflichtprozesses auf Grund einer nachträglichen Prognose – nach dem im Zeitpunkt vor Einleitung des Haftpflichtprozesses vorliegenden Erhebungsmaterial vorzunehmen, weil eine Beurteilung der Beweischancen durch antizipierte Beweiswürdigung nicht in Betracht kommt. Zum Zeitpunkt der Meldung des Versicherungsfalles lagen der Polizeibericht und die Darstellung der Zweitklägerin vor. Aus dem Polizeibericht war nicht ersichtlich, wer am Unfallgeschehen Schuld trägt. Der protokollierte Fahrstreifenwechsel sagt alleine noch nichts über die Schuld der Beteiligten aus. Im Haftpflichtprozess muss daher erst festgestellt werden, worauf die Kollision zurückzuführen ist und welche Verschuldensteilung daraus resultiert.

Die Angaben der Klägerin sind weder offensichtlich unrichtig noch unschlüssig. Es liegt im Bereich des Möglichen, dass der von der Klägerin vorgebrachte Sachverhalt sich genauso ereignet hat. Die Argumente, dass der Unfallgegner mit der Familie unterwegs war und, dass das Geschilderte deshalb lebensfremd ist, machen ein Obsiegen im Haftungsprozess nicht unwahrscheinlich. Daher kann eine Prozessführung ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht als erfolglos erkannt werden. Das Klagebegehren besteht demnach zu Recht.

 

3.3 Conclusio:

Aus der Entscheidung des Gerichtes geht hervor, dass bei der Beurteilung, ob eine Deckungspflicht der Rechtsschutzversicherung bei Abwägung der Erfolgsaussichten besteht oder nicht, ein sehr niedriger Maßstab in Hinblick auf die Erfolgschancen angelegt wird.

 

Auch wenn man als Versicherungsnehmer in einem solchen Deckungsprozess die Kosten des Verfahrens vorerst selbst tragen muss, so ist die  Rechtsschutzversicherung – im Falle des Obsiegens des Versicherungsnehmers als Kläger – verpflichtet, die Prozesskosten des Versicherungsnehmers als Kläger in vollem Umfang zu ersetzen. Das bedeutet, der Kläger hat bei Obsiegen im Deckungsprozess aufgrund der Rechtsschutzdeckung auch keine weiteren Kosten im Folgeprozess zu tragen.

 

Sollte die Rechtsschutzversicherung bei Eintritt eines Schadensereignisses eine Deckung mit der Begründung, es bestehe nicht „hinreichend Aussicht auf Erfolg“, ablehnen, so empfiehlt es sich (/empfehle ich Ihnen), mit Ihrem Rechtsfreund abzuklären, ob es (im Einzelfall) sinnvoll ist, eine „Klage auf Feststellung der Rechtsschutzdeckung“ bei Gericht einzubringen.

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Mag. David GRIESBACHER

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