Zunächst sollte sich das Unternehmen die Frage stellen: Warum Geld am Kapitalmarkt aufnehmen? Hier kann eine Reihe von Gründen dafür sprechen. Zunächst kann die Verzinsung recht flexibel gestaltet werden. Mit einem gut gestalteten Wertpapier können auch Unternehmensrisiken gemindert werden. Zu denken ist zum Beispiel an die Bindung der Verzinsung an eine Währung (Wechselkursrisiko bei Exporteuren/Importeuren), für die sonst ein zusätzlicher Zinsswap gekauft werden müsste. Daneben ist es ein Zeichen von Marktstärke an Kunden und den Wettbewerb, das nicht unterschätzt werden sollte. Ebenso wichtig ist, dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Solide Unternehmen profitieren von günstigen Konditionen. Risikoreiche Firmen finden im Kapitalmarkt eine Finanzierungsquelle.
Für die Begebung von Anleihen sollte eine Vorlauffrist von zumindest zwei Monaten eingerechnet werden. Es ist empfehlenswert, auf die Unterstützung eines routinierten Rechtsanwalts zu vertrauen. Im Einzelnen ist der folgende Ablaufplan maßgeblich:
1) Abklären, ob Prospektpflicht für das Wertpapier besteht: Im Regelfall ist ein Kapitalmarktprospekt zu erstellen. Ausnahmen bestehen etwa, wenn die Wertpapiere weniger als 150 Personen angeboten werden sollen oder wenn weniger als 250.000 Euro emittiert werden. Auch gewisse Beteiligungsprogramme für Mitarbeiter sind ausgenommen.
2) Abklären, ob die Kapitalmarktemission gefördert wird: Es bestehen Förderprogramme, die einen Teile der Kosten übernehmen. Sowohl reguläre Prospekte als auch der Prospekt Light werden in vielen Fällen mit einem Zuschuss gefördert.
3) Aufsetzen eines Kapitalmarktprospekts (wenn Prospektpflicht besteht): Der Kapitalmarktprospekt stellt das Unternehmen vor und beschreibt die Risiken, die mit der Anlage in die angebotenen Wertpapiere verbunden sind. Für KMU besteht seit Herbst 2015 eine Erleichterung. Mit dem vereinfachten Prospekt bzw. „Prospekt Light“ können auch KMU mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln Wertpapiere emittieren.
4) Prüfung des Jahresabschlusses: Für die Emission ist grundsätzlich der Jahresabschluss des Unternehmens von einem Wirtschaftsprüfer zu prüfen. Der Prospekt Light bildet hier grundsätzlich eine Ausnahme. Im Einzelfall verlangt die FMA jedoch auch beim vereinfachten Prospekt die Prüfung des Jahresabschlusses.
5) Ausgestalten der Anleihebedingungen: Die Anleihebedingungen sind das Herzstück des Wertpapiers. Für das Unternehmen und den Anleger essenziell sind vor allem die Laufzeit und die Art der Verzinsung. Neben einer fixen Verzinsung kann eine variable Verzinsung vorgesehen werden. Auch eine Nullverzinsung ist möglich. In diesem Fall wird das Wertpapier unter dem Nominalbetrag ausgegeben und am Laufzeitende zum Nominalbetrag zurückbezahlt.
Link-Tipp: Einen Überblick über kreative Ansätze bietet der Artikel „Wertpapiere mit dem besonderen Kick“ (DerStandard.at 14. März 2016)
6) Meldung zum Emissionskalender. Die Österreichische Kontrollbank (OeKB) führt den sogenannten „Emissionskalender“. Alle Angebote von Wertpapieren (egal ob öffentliches Angebot oder Privatplatzierung) müssen der OeKB vorab gemeldet werden. In der Regel geschieht dies während des Billigungsverfahrens bei der FMA (dazu sogleich).
7) Einholen einer ISIN: ISIN steht für International Securities Identification Number (Internationale Wertpapier-Identifikationsnummer). Die OeKB vergibt für alle Wertpapiere eine ISIN.
8) Billigungsverfahren vor der FMA: Der Kapitalmarktprospekt muss von der Österreichischen Finanzmarktaufsicht gebilligt werden. Die FMA prüft den Prospekt auf Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit. Für das Billigungsverfahren sollten zumindest vier Wochen eingeplant werden.
Link-Tipp: Details zum Ablauf des Billigungsverfahrens können auf der Website der FMA nachgelesen werden.
9) Hinterlegung des Prospekts: Ein Exemplar des gebilligten Prospekts wird bei der OeKB hinterlegt.
10) Hinweisbekanntmachung: In der Wiener Zeitung wird eine Anzeige geschaltet, in der angegeben ist, wie bzw. wo der Prospekt veröffentlicht wird.
11) Veröffentlichung des Prospekts: Nach der Billigung und bevor die Wertpapiere öffentlich angeboten werden dürfen, muss der gebilligte Kapitalmarktprospekt auf der Website oder am Sitz der Emittentin veröffentlicht werden.
12) Involvierung einer Bank als Zahlstelle: Die Zahlstelle sammelt die Gelder von Anlegern ein, die sie an das Unternehmen weiterleitet. Werden Zinsen bezahlt, nimmt sie den gesamten Zinsbetrag vom Unternehmen entgegen und leitet sie an die einzelnen Anleger weiter. Die Zahlstelle dient also im Wesentlichen als Bindeglied für Zahlungen zwischen Unternehmen und Anlegern. Die Beauftragung einer Zahlstelle ist nicht zwingend notwendig, aber zu empfehlen.
13) Hinterlegung der Sammelurkunde: Es ist üblich, dass Anleihen durch eine einzelne Sammelurkunde verbrieft werden. Das bedeutet, dass nicht jeder Anleger ein physisches Wertpapier erhält, sondern eine einzelne Urkunde sämtliche Anleihen repräsentiert. Die Sammelurkunde wird bei der OeKB hinterlegt.
14) Notierung/Einbeziehung an der Wiener Börse: Sollen die Anleihen an der Wiener Börse gehandelt werden können, muss ein entsprechender Antrag an die Börse gestellt werden.
Link-Tipp: Der Ablauf kann auf der Website der Wiener Börse nachgelesen werden.
Der vereinfachte Prospekt soll es für kleinere und mittelgroße Firmen lukrativ machen, Geld am Kapitalmarkt für Investitionen aufzunehmen. Der vereinfachte Prospekt ist, wie der Name bereits vermuten lässt, eine vereinfachte Variante des Kapitalmarktprospekts. Er wird nach einem eigenen Schema aufgesetzt, das kürzer ist und sich auf wesentliche Angaben beschränkt. Daneben muss in der Regel der Jahresabschluss nicht von einem Wirtschaftsprüfer geprüft werden. Insgesamt ist das Verfahren damit schneller und günstiger.
Der vereinfachte Prospekt ist für alle Unternehmen interessant, die weniger als 5 Millionen Euro jährlich am Kapitalmarkt aufnehmen möchten. Soll diese Grenze überschritten werden, muss ein herkömmlicher Kapitalmarktprospekt erstellt werden. Es besteht keine Beschränkung auf bestimmte Branchen. Nicht nur Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) sondern auch Personengesellschaften (OG, KG) kommen als Emittenten in Betracht. Auch Vereine können Wertpapiere begeben. Zu bedenken ist, dass für den Prospekt jedenfalls ein Jahresabschluss mit Bilanz vorliegen muss, der von OG bzw. KG allenfalls zusätzlich erstellt werden muss. Auch für Start-Ups, die ohne Unternehmenskredit auskommen möchten, kann dies interessant sein.
Bei den Kosten der Meldungen, für die ISIN, das Billigungsverfahren, die Hinterlegung und Hinweisbekanntmachung kann mit etwa 5.000 Euro gerechnet werden. Hinzu kommen die Kosten für die Erstellung des Prospekts, die je nach der gewünschten Anleihe variieren. Die Gesamtkosten der Emission sind im Allgemeinen vergleichbar mit den Kosten einer Bankfinanzierung. Durch die Einführung des Prospekt Light gilt dies auch für Emissionen von weniger als fünf Millionen Euro. Der Kapitalmarkt bietet also eine echte Alternative zur Finanzierung mittels Kredit.
Dieser Beitrag ist als Wegweiser gedacht und kann selbstverständlich eine individuelle Beratung nicht ersetzen. Stadler Völkel Rechtsanwälte beraten und begleiten Sie gern bei der Emission Ihrer Unternehmensanleihe.
Zur Person:
Dr. Oliver Völkel, LL.M. (Columbia) ist Gründer und Partner der Kanzlei Stadler Völkel Rechtsanwälte. Er berät Unternehmen in allen Größenklassen unter anderem in den Bereichen Bank- und Kapitalmarktrecht, Liegenschafts- und Immobilienrecht, Medizinrecht und Mergers & Acquisitions. Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Dr. Oliver Völkel bei meinanwalt.at sowie auf der Website der Kanzlei Stadler Völkel Rechtsanwälte.
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