Mag. Wolfgang Ehß zum VW-Abgas-Skandal: „VW-Fahrer können auch in Österreich klagen“

Welche Ansprüche können VW-Fahrer aufgrund des Abgas-Skandals geltend machen? Kann VW auch in Österreich geklagt werden? – Ein Interview mit Mag. Wolfgang Ehß, Rechtsanwalt und Partner der Grazer Anwaltskanzlei Aspida Rechtsanwälte

Mag. Wolfgang EHß | 18.01.2016 | Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht Seite drucken

meinanwalt.at: Herr Mag. Ehß, Sie sind Rechtsanwalt und Partner der jungen Kanzlei Aspida Rechtsanwälte in Graz. Möchten Sie sich bzw. Ihre Kanzlei unseren Nutzern etwas näher vorstellen?

Mag. Wolfgang Ehß: Seit Mai 2015 bin ich eingetragener Rechtsanwalt sowie Partner und Gründungsmitglied der Kanzlei Aspida. Meine Kollegen und ich verstehen uns als moderne Wirtschaftskanzlei, die den Menschen und seine Unternehmen in den Mittelpunkt stellt.

meinanwalt.at: Was bedeutet der Kanzleiname „Aspida“?

Mag. Wolfgang Ehß: Bei der Wahl des Namens war es uns wichtig, uns klar von anderen Kanzleien unterscheidbar zu machen. Aspida bedeutet „der Schutzschild“. Das Wort kommt aus dem Griechischen. Um unseren Mandanten ein rechtliches Schutzschild bieten zu können, steht insbesondere das umfassende Fachwissen der einzelnen Partner der Kanzlei und ein breitgefächertes Netzwerk an Experten oder Sachverständige für die unterschiedlichsten Bereiche zur Verfügung.

meinanwalt.at: In welchen Rechtsbereichen beraten Sie bzw. Ihre Kanzlei Mandanten? Vertreten Sie Privatpersonen und Unternehmen?

Mag. Wolfgang Ehß: Wir, die Kanzlei Aspida, bieten unseren Mandanten eine Allgemeinkanzlei, wobei unser Schwerpunkt auf Wirtschaftsrecht liegt. Aufgrund der Spezialisierung unseres Teams gibt es für beinahe jedes Rechtsgebiet einen Experten. Wir vertreten sowohl Unternehmer als auch Privatpersonen.

Ich persönlich beschäftige mich intensiv mit Schadenersatzrecht, Arzthaftungs- und Versicherungsrecht, Miet- und Wohnrecht sowie Familienrecht.

meinanwalt.at: Wir möchten heute mit Ihnen über den VW Abgas-Skandal sprechen. VW wird im Januar 2016 mit den ersten Umrüstungsmaßnahmen beginnen. Müssen sich die betroffenen Fahrzeughalter an der Rückrufaktion beteiligen?

Mag. Wolfgang Ehß: Eine generelle Verpflichtung zur Umrüstung besteht nicht. Eine Teilnahme könnte aber wegen der Herstellung eines den Zulassungsvorschriften entsprechenden Zustandes durchaus empfehlenswert sein. Der Gesetzgeber könnte nämlich die Zulassung der nicht verbesserten PKW jederzeit aufheben.

meinanwalt.at: Wer trägt die Kosten für die Umrüstung?

Mag. Wolfgang Ehß: Die Kosten hat der VW-Konzern zu tragen. Dieser ist schlussendlich für die Manipulation verantwortlich.

meinanwalt.at: Unabhängig von der Umrüstung, welche rechtlichen Schritte können VW Eigentümer grundsätzlich setzen?

Mag. Wolfgang Ehß: Der Eigentümer hat die Möglichkeit, entweder den Vertragspartner, von dem der PKW gekauft wurde, oder direkt VW zu belangen.

Bei einem Vorgehen gegenüber dem Vertragspartner stehen dem Betroffenen mehrere Wege offen, wobei ich nur die relevantesten hervorheben möchte.

Die erste Möglichkeit ist den Kaufvertrag wegen Irrtums aufzulösen oder anzupassen. Dabei hat der Betroffene zu beweisen, dass er sich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in einem Irrtum über die Abgaswerte befunden hat. Bei der Auflösung des Vertrages muss sich der Betroffene aber den Vorteil, den er durch die Verwendung des PKWs hatte, dementsprechend anrechnen lassen, was in einigen Fällen dazu führen könnte, dass die Rückabwicklung teuer wird. Demgegenüber erscheint eine Vertragsanpassung und eine damit einhergehende Preisminderung aufgrund der schlechten Abgaswerte sinnvoller.

Eine weitere Option ist, dass der Betroffene seine Ansprüche im Zuge der Gewährleistung an den Vertragspartner heranträgt, Dieses Recht darf vertraglich allerdings nicht ausgeschlossen oder bereits verjährt sein.

Gegenüber VW selbst bestehen Schadenersatzansprüche, die sich aus der Manipulation der Abgaswerte ergeben. Dabei können diese Ansprüche klagsweise direkt in Österreich geltend gemacht werden.

meinanwalt.at: Es kann also direkt in Österreich geklagt werden?

Mag. Wolfgang Ehß: Ja, das Europäische Recht räumt diese Möglichkeit ein.

meinanwalt.at: Wie lange kann Gewährleistung, Irrtum oder Schadenersatz geltend gemacht werden?

Mag. Wolfgang Ehß: Die Frist für Gewährleistung beträgt grundsätzlich zwei Jahre, gerechnet ab der Übergabe des PKWs an den Kunden. Die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums ist drei Jahre lang ab Vertragsabschluss möglich. Schadenersatzrechtliche Ansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis von Schaden- und Schädiger.

meinanwalt.at: Kann im Zuge der Gewährleistung ein Tausch oder eine Rücknahme verlangt werden?

Mag. Wolfgang Ehß: Das Gewährleistungsrecht sieht in erster Linie die Möglichkeit einer Verbesserung vor. Kann eine Verbesserung nicht durchgeführt werden, ist in manchen Fällen auch ein Austausch vorgesehen. Dies setzt aber voraus, dass der Mangel durch den Austausch beseitigt wird. Bei einem Austausch hätte der Kunde nämlich nur das Recht auf einen PKW derselben Modellreihe. Da aber die gesamte Modellreihe mangelhafte Abgaswerte aufweist, wäre ein Austausch nicht möglich. Ein Recht auf Austausch gegen einen PKW einer anderen Modellreihe besteht rein rechtlich nicht.

Kann der Mangel durch Verbesserung oder Austausch nicht beseitigt werden, besteht die Möglichkeit den Vertrag zu wandeln. Dies wäre beispielweise dann der Fall, wenn der Gesetzgeber die Straßenzulassung wegen der manipulierten Abgaswerte aufhebt. Dann müsste VW den PKW zurücknehmen.

meinanwalt.at: Ist es möglich, einen Teil des Kaufpreises zurückzuverlangen?

Mag. Wolfgang Ehß: Ja, das ist möglich. Wie bereits erwähnt, kann ein Teil des Kaufpreises entweder vom Vertragspartner oder von VW direkt als Schadenersatz zurückverlangt werden.

meinanwalt.at: Ist der PKW durch den Einbau der Manipulationssoftware weniger wert? Kann dafür Schadenersatz verlangt werden?

Mag. Wolfgang Ehß: Derzeit sind die Folgen der Umrüstung noch ungeklärt. Laut Medienberichten kann die „Umrüstung“ zu einer Verminderung der Leistung und einer Erhöhung des Spritverbrauches führen, was sich dann negativ auf den Wiederverkaufswert auswirken kann. Ungeklärt ist auch, ob und welche Folgeschäden durch die Verbesserung eintreten könnten.

meinanwalt.at: Kann man Schadenersatzansprüche wegen Wertminderung auch gegenüber dem Autohändler geltend machen?

Mag. Wolfgang Ehß: Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüche gegenüber dem Autohändler würde verlangen, dass der Autohändler bzw. der Vertragspartner in Kenntnis der manipulierten Abgaswerte war. Dies wird aber nicht der Fall sein.

meinanwalt.at: Wie ist die Situation, wenn das Fahrzeug gebraucht erworben wurde? Sind auch in diesem Fall Schadenersatzansprüche gegenüber VW möglich?

Mag. Wolfgang Ehß: Ja. Auch in diesem Fall kann der Käufer seine Schadenersatzansprüche an VW herantragen.

meinanwalt.at: Welche konkreten Schritte empfehlen Sie VW-Eigentümern?

Mag. Wolfgang Ehß: Ob nun eine Klage gegen den Vertragspartner oder gegen VW günstiger ist, hängt vom Einzelfall ab und was der Betroffene erreichen will. Eine Wandlung empfehle ich nur bei relativ neuen PKW. In allen anderen Fällen muss zunächst die konkrete Schadenhöhe ermittelt werden. In der Regel wird dafür ein Sachverständiger aus dem KFZ-Wesen beigezogen.

In allen Fällen, wo wir derzeit einschreiten, machen wir Schadenersatz direkt gegenüber VW geltend. Hier gibt es auch keine Verjährungsproblematik.

meinanwalt.at: Wir danken Ihnen für das Gespräch!

 

Zur Person:

Mag. Wolfgang Ehß ist Rechtsanwalt und Partner der Grazer Anwaltskanzlei Aspida Rechtsanwälte. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählt das Schadenersatzrecht, Arzthaftungsrecht, Versicherungsrecht, Mietrecht sowie Familienrecht. Mag. Wolfgang Ehß vertritt sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen. Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie auch dem Profil von Mag. Wolfgang Ehß bei meinanwalt.at sowie auf der Website der Anwaltskanzlei Aspida Rechtsanwälte.

Haftungsausschluss: Die auf dieser Website bereit­gestellten Artikel/Inhalte stellen Tipps von Experten dar und ersetzen dennoch keine rechtliche Beratung. Jede Haftung für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität ist ausgeschlossen.

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