Mag. Peter Rezar im Interview: Verkehrsunfall mit Personenschaden

Kommt es zu einem Verkehrsunfall mit verletzten Personen, ist der Schock für alle Beteiligten meist groß. Schnell stellen sich viele Fragen: Wie reagiert man am Unfallort richtig? Welche Strafen drohen bei fahrlässiger Körperverletzung? An wen richte ich meine Ansprüche? – Ein Interview mit Rechtsanwalt Mag. Peter Rezar

Mag. Peter REZAR | 13.07.2016 | Verkehrsrecht Seite drucken

meinanwalt.at: Herr Mag. Rezar, Sie sind selbständiger Rechtsanwalt in Wien bei der Kanzlei Riegler Rebernig Rechtsanwälte. Möchten Sie uns etwas über Ihren bisherigen Werdegang erzählen?                                                                                   

Mag. Peter Rezar: Ich habe im Jahr 2010 mein Studium beendet und danach das Gerichtsjahr absolviert. Im September 2011 habe ich als Rechtsanwaltsanwärter bei der Kanzlei Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH begonnen und war dabei in Wien und Eisenstadt bis April 2016 tätig. Es war eine schöne und intensive Ausbildungszeit. Seit Mai 2016 bin ich selbständiger Rechtanwalt in Wien und arbeite gemeinsam mit den Kollegen Riegler, Rebernig und Mace.

meinanwalt.at: Wer kann sich von Ihnen vertreten lassen? Welche Rechtsbereiche zählen zu Ihren Spezialgebieten?                                                                            

Mag. Peter Rezar: Durch meine Ausbildung habe ich eine Vielzahl an Rechtsgebieten und Causen kennen lernen dürfen. Ich vertrete Privatpersonen genauso wie Versicherungen, Gemeinden oder größere Unternehmen, zum Beispiel bei Gründungen.

Zu meinen Stärken zählen sicherlich die langjährige Erfahrung im Versicherungsbereich (Haftpflicht) und auch Medizinrecht. Darüber hinaus habe ich viele Verhandlungen im Bereich Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht geführt und mietrechtliche Angelegenheiten abgewickelt. Ich verhandle gerne vor Gericht, scheue aber auch das Vertragshandwerk nicht. Meiner Ausbildungszeit bei Gericht ist auch der Umstand geschuldet, dass ich mich im Strafrecht gut aufgehoben fühle.

meinanwalt.at: Wir möchten mit Ihnen über das Thema Verkehrsunfall mit Personenschaden sprechen. Wie sollte man sich richtigerweise verhalten, wenn es zu einem Unfall mit Verletzten kommt?                                                                              

Mag. Peter Rezar: Bei Verkehrsunfällen generell muss man sich zunächst vor Augen führen, dass dies jedem einmal passieren kann, unabhängig davon, ob man den Unfall verursacht hat oder nicht. Wenn der Unfall einmal passiert ist, empfiehlt es sich, einen raschen Überblick über die Lage zu gewinnen, die Einsatzkräfte zu verständigen und Verletzte zu versorgen. Die Schuldfrage, vor der sich viele fürchten, wird ohnehin nicht in den ersten Minuten nach dem Unfall geklärt.

meinanwalt.at: Mit welcher Strafe muss man rechnen, wenn man keine Erste-Hilfe leistet und Fahrerflucht begeht?                                                                               

Mag. Peter Rezar: Hier muss man unterscheiden: das Strafgesetzbuch kennt die Tatbestände des Unterlassens der Hilfeleistung (jemanden in einer Notsituation nicht zur Seite stehen) und des Imstichlassen eines Verletzten (wenn ich jemandem, den ich wie auch immer verletzt habe, nicht die erforderliche Hilfe leiste). Zweiteres wird bei Verkehrsunfällen oft angenommen und die Strafdrohung variiert hier, je nach Verletzung, zwischen bis zu einem Jahr und bis zu zwei Jahren, bei tödlichen Verletzungen bis zu drei Jahren. Jedoch muss man nur helfen, wenn man sich dabei nicht selbst gefährdet.

Die Fahrerflucht ist in der Straßenverkehrsordnung geregelt und stellt eine zusätzliche Verwaltungsübertretung dar, welche mit Geldstrafe in Höhe von EUR 36 bis EUR 2.180 bestraft werden kann.

Fahrerflucht und unterlassene Hilfeleistung bzw. Imstichlassen eines Verletzten sind also keine Kavaliersdelikte.

meinanwalt.at: Welche Informationen sollte man mit dem Unfallgegner unbedingt austauschen?                                                     

Mag. Peter Rezar: Das wichtigste ist, die persönlichen Daten wie Name und Adresse, eventuell noch das Geburtsdatum, des Unfallgegners erfragen. Darüber hinaus benötigt man das Kennzeichen der Unfallfahrzeuge. Für ein mögliches späteres Gerichtsverfahren empfiehlt es sich natürlich eine Skizze der Örtlichkeit, besser noch Fotos anzufertigen, was heutzutage kein Problem darstellen sollte.

Natürlich macht es auch Sinn, den Namen der Haftpflichtversicherung auszutauschen, die den Schaden ja regulieren sollte. Dabei passieren aber oft Fehler, was meiner Erfahrung nach der Nervosität nach einem Unfall geschuldet ist. Hat man das Kennzeichen seines Unfallgegners, reicht dies jedoch völlig, da die zuständige Haftpflichtversicherung schnell und kostenlos abgefragt werden kann.

meinanwalt.at: Wann muss die Polizei verständigt werden und was sollte man beachten, wenn sie am Unfallort erscheint?

Mag. Peter Rezar: Vielfach wird, auch bei Verkehrsunfällen ohne Personenschaden, die Polizei verständigt. Dies ist nicht zwingend notwendig, kann aber in manchen Situationen sicherlich helfen, da sämtliche Daten der Unfallbeteiligten von der Polizei aufgenommen werden. Zu beachten ist, dass ohne Personenschaden eine Pauschale für das Einschreiten der Polizei fällig wird.

Wichtig ist in jedem Fall, dass man sich Bestätigungen des Einschreitens der Polizei übergeben lässt und auch unbedingt die Geschäftszahl des Polizeiaktes erfragt. Damit hat man im Nachfolgenden die Möglichkeit, Einsicht in den Polizeiakt zu bekommen, sei es nur um Daten zu vervollständigen oder etwaige Lichtbilder zu erhalten.

Wenn ein Personenschaden passiert, ist das Einschreiten der Beamten automatisch mit einem Ermittlungsverfahren verbunden. Die Polizei, die einen Personenschaden feststellt, muss dann durch Einvernahmen und Rekonstruktionen versuchen, den Unfallhergang zu beschreiben. Entscheiden, ob dann tatsächlich auch ein Strafverfahren in Gang gesetzt wird, kann dann der Staatsanwalt.

meinanwalt.at: Geschädigte können Schadenersatz und Schmerzengeld verlangen. Welche Ansprüche können konkret geltend gemacht werden und wie hoch können sie sein?

Mag. Peter Rezar: Hier gibt es eine Vielzahl an möglichen Varianten. Bei Totalschaden erhält man nur Restwert (Zeitwert abzüglich Wrackwert) vom Unfallgegner ersetzt. Kein Totalschaden bedeutet, dass man die Reparatur des Kfz fordern kann. Darüber hinaus kann man anteilige Kosten der Vignette, Verdienstentgang, Kosten für eine Heilbehandlung und je nach Zustand und Alter des Fahrzeuges bei Unfallfreiheit auch eine merkantile Wertminderung geltend machen. Ebenso kann es vorkommen, dass die Benützung eines Mietwagens oder zusätzliche Ausgaben für öffentliche Verkehrsmittel notwendig werden und dann sind diese Mehrkosten auch ersatzfähig.

Beim Schmerzengeld gibt es in Österreich ein System nach Sätzen: dieses orientiert sich im Wesentlichen an der Dauer und Intensität der Schmerzen. Ein Tag leichte Schmerzen „kostet“ EUR 110, mittelstarke EUR 220 und starke Schmerzen EUR 330, wobei alle Schmerzen zusammengefasst und gerafft werden. Es kommt dabei jedoch stark auf den Einzelfall an und wird im gerichtlichen Verfahren so gut wie immer durch einen Sachverständigen ermittelt. Eine genaue Auflistung macht somit nur von Fall zu Fall Sinn.

meinanwalt.at: An wen sollten Geschädigte ihre Ansprüche richten?   

Mag. Peter Rezar: Es passiert oft, dass Unfallopfer eine kurze Information an ihre eigene Versicherung weitergeben und dann abwarten. Gerade bei einem Verkehrsunfall ist es jedoch wichtig, der unfallgegnerischen Haftpflichtversicherung gegenüber als Anspruchsteller gegenüberzutreten und vor allem zügig seine Ansprüche zu verfolgen. Die eigene Versicherung muss dabei selbstverständlich auch immer informiert werden, damit es zu keiner Obliegenheitsverletzung gegenüber der Versicherung kommt. Gerade in diesem Punkt ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt besonders vorteilhaft.

meinanwalt.at: Wird die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers von sich aus aktiv oder müssen die Forderungen zuerst angemeldet werden?

Mag. Peter Rezar: Von sich aus aktiv werden und vielleicht sogar zahlen ist nicht unbedingt eine Stärke mancher Versicherungen. Das Prinzip lautet hier: wer einen Anspruch behauptet und wer Entschädigung will, der muss das auch fordern.

Es empfiehlt sich, umgehend der unfallgegnerischen Haftpflichtversicherung wie auch der eigenen Versicherung eine Mitteilung zu machen. Seitens der Versicherung werden oft auch Sachverständige beauftragt, allfällige Schäden gleich zu begutachten. Damit hat man relativ schnell einen fundierten Überblick, wie hoch sich ein allfälliger Schaden beziffern lässt und kann damit seine Forderungen präzisieren.

meinanwalt.at: Kommt eine Person zu Schaden, drohen auch strafrechtliche Konsequenzen. Welche Delikte können zur Anwendung kommen? 

Mag. Peter Rezar: Klassischer Weise kommt hier das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung mit unterschiedlichen Varianten und Qualifikationen zur Anwendung. Dank der Strafrechtsreform 2010 wurde dieses Delikt, gerade bei Verkehrsunfällen wichtig, entschärft. War früher bei einer 3 Tage übersteigenden Verletzung bereits das Strafgericht beschäftigt, ist es jetzt erst bei 14 tägiger Heilungsdauer ein Strafdelikt. Der Gesetzgeber hat hier den Versuch gestartet zu entkriminalisieren und verstanden, dass ein Verkehrsunfall jedem passieren kann. So landen kleinste Verletzungen nach Verkehrsunfällen nicht gleich vor dem Strafgericht.

Darüber hinaus hängt es natürlich vom Grad der Verletzung und dem Vorliegen einer Alkoholisierung ab, wie hoch eine allfällige Strafe ausfällt.

Auch der neu eingeführte § 89 StGB ist zu beachten, bei dem allein die Gefährdung der körperlichen Sicherheit strafrechtlich relevant sein kann.

meinanwalt.at: Welche Strafen drohen speziell bei fahrlässiger Köperverletzung?

Mag. Peter Rezar: Wie erwähnt hängt das vom konkreten Einzelfall ab. Der Strafrahmen reicht, bei leichter Verletzung (ab 14 Tagen Heilungsdauer), von bis zu 3 Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis hin zu schwerer Körperverletzung einer größeren Anzahl von Personen bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren.

meinanwalt.at: Wann muss man bei fahrlässiger Körperverletzung mit einer Gefängnisstrafe rechnen?

Mag. Peter Rezar: Grundsätzlich muss man im Zusammenhang mit einer fahrlässigen Körperverletzung nicht prima facie mit einer Gefängnisstrafe rechnen, da der Gesetzgeber selbstverständlich bedacht hat, dass es sich hier um eine Situation handelt, die jedem Menschen passieren kann. Freiheitsstrafen werden hier eher ausgesprochen, wenn der Verkehrsunfall besonders fahrlässig, beispielsweise durch den Konsum von Alkohol oder Drogen oder durch eine besondere Rücksichtslosigkeit hervorgerufen wurde, oder das Opfer besonders schwer verletzt wurde.

Nachteilig in der Strafbemessung ist natürlich auch, wenn es nicht der 1. Verkehrsunfall mit Personenschaden ist. Hier sind die verschiedenen Möglichkeiten breit gestreut und ist eine Schätzung der strafgerichtlichen Entscheidung selbst im Einzelfall schwierig.

meinanwalt.at: Mein Auto ist nach dem Unfall beschädigt – kann ich es sofort reparieren lassen?

Mag. Peter Rezar: Bei Verkehrsunfällen kommt es häufig zur Situation, dass das beschädigte Fahrzeug nicht fahrtauglich ist und sich die Frage stellt, ob das Fahrzeug schnell reparieren zu lassen oder ein Mietwagen zu besorgen ist. In jedem Fall empfiehlt sich zuerst die Kontaktaufnahme mit den Versicherungen und die Begutachtung des Fahrzeuges durch einen Sachverständigen der Versicherung.

Dauert das zu lange, kann auch mit einer Dokumentation der Schäden und einem ausführlichen Reparaturbericht das Auslangen gefunden werden.

Sollte es dann zu einem gerichtlichen Verfahren kommen, muss ein Sachverständiger jedenfalls in der Lage sein, mit den vorliegenden Dokumenten den Schaden abzuschätzen und zu kalkulieren. Dies funktioniert dann am besten, wenn das Fahrzeug noch im beschädigten Zustand ist. Allerdings sind bis zu diesem Zeitpunkt meist mehrere Monate vergangen. Wer sich beruflich darauf einstellen kann, auf das Fahrzeug einige Monate zu verzichten, ist sicherlich nicht schlecht beraten, das Fahrzeug unterzustellen und im Urzustand zu belassen, wenn er absehen kann, dass ein Gerichtsverfahren ansteht. Werden Arbeiten durchgeführt, ist eine umfassende Dokumentation der Schäden durch gute Lichtbilder und einen umfassenden Reparaturbericht jedenfalls erforderlich und eine Begutachtung durch einen Sachverständigen der Versicherung sicher sinnvoll.

meinanwalt.at: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Mag. Peter Rezar ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien. Zu seinen Beratungsschwerpunkten zählt das Medizinrecht (Arzthaftungsrecht), Zivilrecht, Transport- und Speditionsrecht, Versicherungsrecht, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht, Insolvenzrecht, Mietrecht sowie das Strafrecht. Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. Peter Rezar bei meinanwalt.at sowie auf der Website der Kanzlei Riegler Rebernig Rechtsanwälte ALL RIGHT.

Haftungsausschluss: Die auf dieser Website bereit­gestellten Artikel/Inhalte stellen Tipps von Experten dar und ersetzen dennoch keine rechtliche Beratung. Jede Haftung für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität ist ausgeschlossen.

Anwaltsprofil

Mag. Peter REZAR

Mag. Peter REZAR

Medizinrecht | Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht | Strafrecht | Verkehrsrecht | Versicherungsrecht | Datenschutzrecht
Adresse: Singerstraße 8/Top 9
1010 Wien
Telefon: 01 890 77 69
Fax: 01 890 77 69 99
E-Mail: recht@rezar.at
Website: www.rezar.at
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