meinanwalt.at: Herr Mag. Wohlgemuth, Sie sind Partner der renommierten Rechtsanwaltskanzlei Kugler & Wohlgemuth in Klagenfurt. Möchten Sie uns etwa über Ihren bisherigen Werdegang sagen?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Ich habe an der Universität Graz Rechtswissenschaften studiert. Nach dem Studium war ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Univ. Prof Dr. Gert-Peter Reissner am Institut für Arbeits- und Sozialrecht in Graz mehrere Jahre wissenschaftlich tätig. 2007 ging ich in die USA und begann ein LL.M. Studium für Transnational Business Practice, welches ich im Jahr 2008 abschloss. Meine Ausbildung zum Rechtsanwalt begann ich in den USA bei der Kanzlei Bridgehouse und setzte sie dann in Wien für die internationale Großkanzlei CMS sowie in einer der führenden Arbeitsrechtskanzleien von Österreich, nämlich Grießer Gerlach Gahleitner, fort. 2013 wurde mir die Möglichkeit geboten, in einer der renommiertesten Kanzleien in Kärnten als Partner zu arbeiten.
meinanwalt.at: Sie sind Autor zahlreicher Fachpublikationen und Vortragender für Wirtschaftsrecht und insbesondere Arbeitsrecht. Welche Mandantenstruktur weist Ihre Kanzlei auf?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Die Struktur unserer Mandanten ist sehr vielschichtig. Wir vertreten nationale wie internationale Unternehmen aller Größen umfassend im Arbeits- und Wirtschaftsrecht. Auf dem Gebiet Arbeitsrecht vertreten wir aber sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber. Aus meiner Sicht ist es ein Vorteil in einem Verfahren auch immer die Bedürfnisse der Gegenseite zu verstehen.
meinanwalt.at: Wann kann ein Arbeitnehmer entlassen werden?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Für eine Entlassung benötigt man einen Entlassungsgrund, der so schwerwiegend sein muss, dass eine Weiterbeschäftigung des betroffenen Dienstnehmers unzumutbar ist. Daher beendet die Entlassung das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung.
meinanwalt.at: Muss eine Kündigung begründet werden?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Grundsätzlich Nein! Für den Ausspruch einer Kündigung benötigt man in Österreich prinzipiell keinen Grund – was fast einzigartig in Europa ist. Da ich für eine Kündigung keinen Grund benötige, dürfen Arbeitnehmer bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis prinzipiell auch jederzeit gekündigt werden. Zumeist ist bis zum Ende der Beschäftigung nach Kündigungsausspruch noch eine Kündigungsfrist abzuwarten. Sonderbestimmungen wie beispielsweise in der Kärntner Ärztekammer können anderes vorsehen.
meinanwalt.at: Wann kann eine Kündigung angefochten werden?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Das Gesetz sieht für betriebsratspflichte Betriebe (mindestens 5 Mitarbeiter die passiv zum Betriebsrat wahlberechtigt sind) die Möglichkeit der Anfechtung der Kündigung auf Grund bestimmter Anfechtungsgründe vor.
Die Anfechtungsgründe hängen von der Reaktion des Betriebsrates ab: Widerspricht dieser ausdrücklich, hat der Arbeitnehmer neben allen anderen Anfechtungsgründen des § 105 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) auch die Möglichkeit einen Sozialvergleich durchzuführen. D.h., dass der betroffene Mitarbeiter bei Gericht angeben kann, dass die gegenständliche Kündigung ihn sozial härter trifft als einen anderen vergleichbaren Mitarbeiter. Ist dies tatsächlich der Fall, muss dieser Mitarbeiter an Stelle des Klägers zuerst gekündigt werden.
meinanwalt.at: Welche Anfechtungsgründe sind im erwähnten § 105 ArbVG festgelegt?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Der in der Praxis häufigste Anfechtungsgrund ist die Sozialwidrigkeit der Kündigung, bei welcher unter Berücksichtigung des Alters, der Dienstzugehörigkeit, der Ausbildung, des Einkommens und der Arbeitsmarktsituation vom Gericht die Möglichkeit geprüft wird, ob der betroffene Arbeitnehmer in absehbarer Zeit einen vergleichbaren Arbeitsplatz finden kann.
Bei der Motivkündigungsanfechtung handelt es sich um eine Anfechtung der Kündigung auf Grund eines verpönten Motives. Diese verpönten Motive sind im Gesetz ausdrücklich genannt. Beispielsweise darf kein Arbeitnehmer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gewerkschaft gekündigt werden.
meinanwalt.at: Welche Möglichkeiten bestehen, wenn der Betriebsrat keine Erklärung abgibt?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Widerspricht der Betriebsrat der Kündigung nur schlicht (er gibt keine Erklärung ab), oder es ist trotz der Verpflichtung dazu kein Betriebsrat eingerichtet, kann der Sozialvergleich nicht durchgeführt werden. In diesem Fall gibt es die Möglichkeit der oben bereits angesprochenen Sozialwidrigkeitsanfechtung der Kündigung oder der Motivkündigungsanfechtung.
meinanwalt.at: Welche weiteren Anfechtungsgründe gibt es?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Daneben gibt es insbesondere im Gleichbehandlungsgesetz weitere Gründe, die einen Dienstnehmer zu einer Anfechtung der Kündigung berechtigen, wie beispielweise die diskriminierende Beendigung auf Grund des Alters, der Religion, sexuellen Orientierung usw.
meinanwalt.at: Immer wieder hört man von einem besonderen Kündigungsschutz. Was ist darunter zu verstehen?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Neben den Anfechtungsgründen gibt es noch Spezialgesetze und Bestimmungen, die gewisse Arbeitnehmergruppen, wie begünstigte Behinderte oder Betriebsräte, unter einen besonderen Kündigungsschutz stellen.
meinanwalt.at: Welcher Kündigungsschutz besteht, wenn die Firma über keinen Betriebsrat verfügt, weil sie bspw. nur 3 Mitarbeiter hat?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): In diesem Fall fällt der Schutzbereich des § 105 ArbVG weg und die Möglichkeiten der Bekämpfung der Kündigung sind für den betroffenen Arbeitnehmer sehr eingeschränkt, da in Österreich grundsätzlich Kündigungsfreiheit besteht. Denkbar wäre beispielsweise eine Feststellungklage auf Grund einer möglichen „Sittenwidrigkeit“ der Kündigung.
meinanwalt.at: Dürfen Arbeitnehmer im Krankenstand bzw. im Urlaub gekündigt werden? Wie sieht es mit schwangeren Arbeitnehmerinnen aus?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Grundsätzlich Ja. Da eine Kündigung aber eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung ist, wird diese erst mit Zugang an den Arbeitnehmer wirksam.
Eine Kündigung von schwangeren ArbeitnehmerInnen ist ausschließlich mit vorheriger Zustimmung des Gerichts möglich.
meinanwalt.at: Welche Fristen müssen bei einer Kündigung eingehalten werden?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Die einzuhaltende Frist und der Kündigungstermin bei Kündigungen ist für Angestellte im Angestelltengesetz und in den Kollektivverträgen geregelt. Auch für Arbeiter sind die Kündigungsfristen und Kündigungstermine in den einzelnen Kollektivverträgen geregelt. Findet kein Kollektivvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, gilt die 14-tägige Lösungsfrist des ABGB.
meinanwalt.at: Kann von diesen Fristen vertraglich abgewichen werden?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Einzelvertragliche Vereinbarungen sind möglich, sofern sie dem Gesetz bzw. dem Kollektivvertrag nicht widersprechen.
meinanwalt.at: Muss schriftlich gekündigt werden?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Grundsätzlich gibt es keine Formvorschriften für eine Kündigung. Sie muss daher auch nicht schriftlich durchgeführt werden. Wichtig ist, dass der Wunsch zur Auflösung des Dienstverhältnisses dem Empfänger der Kündigung verständlich ist. Beispielsweise hat der OGH auch eine Kündigung mittels SMS anerkannt.
meinanwalt.at: Wie sieht es mit übrig gebliebenen Urlaubstagen aus? Können Arbeitnehmer gezwungen werden, Ihren Resturlaub in der Kündigungsfrist zu verbrauchen?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Urlaub ist prinzipiell zu vereinbaren. Ein Arbeitnehmer kann daher zur Konsumation von aushaftenden Urlaubstagen während der Kündigungsfrist nicht gezwungen werden. Jedoch ist zu beachten, dass ein Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist – sofern er nicht dienstfrei gestellt wurde – seine Arbeitsleistung weiterhin zur Verfügung stellen muss. Nicht konsumierter Urlaub ist mit Ende des Arbeitsverhältnisses in Form der Urlaubsersatzleistung auszubezahlen.
meinanwalt.at: Welche rechtlichen Schritte müssen gesetzt werden, wenn man eine Kündigung anfechten will?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Arbeitnehmer können sich mittels einer Klage beim zuständigen Landesgericht für Arbeits- und Sozialrecht wehren. Die Klagsfrist beträgt ab Ausspruch der Kündigung jedoch nur 14 Tage.
meinanwalt.at: Oft sind in Arbeitsverträgen sogenannte Konkurrenzklauseln enthalten. Was gilt es hier zu beachten?
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA): Konkurrenzklauseln betreffen die Zeit nach dem Arbeitsverhältnis und haben den Sinn, Arbeitnehmer vom Wechsel zu einem Konkurrenten abzuhalten. Sie ist nur gültig, sofern der Arbeitnehmer selbst kündigt, berechtigt entlassen wird oder ungerechtfertigt vorzeitig austritt. Auch bei der einvernehmlichen Auflösung kommt die Konkurrenzklausel grundsätzlich zum Tragen. In diesem Fall kann sie bei der Auflösungsvereinbarung ausgeschlossen werden. Weitere Voraussetzungen sind, dass sie grundsätzlich nur bis zu einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gültigkeit haben und das monatliche Entgelt des Arbeitnehmers EUR 2.635 im Jahr 2015 übersteigt.
meinanwalt.at: Vielen Dank, dass Sie sich für das Gespräch Zeit genommen haben!
Zur Person:
Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA) ist Rechtsanwalt und Partner der renommierten Rechtsanwaltskanzlei Kugler & Wohlgemuth in Klagenfurt. Nach dem Studium in Graz und in den USA (International Business Practice) war er in einer internationalen Wirtschaftskanzlei sowie einer auf Arbeitsrecht spezialisierte Kanzlei in Wien tätig. Er berät österreichische und internationale Klienten in allen Bereichen des nationalen und internationalen Arbeits- und Wirtschaftsrechts. Mag. Michael Wohlgemuth LL.M. (USA) ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und gefragter Vortragender für Arbeits- und Wirtschaftsrecht. Weitere Informationen finden Sie auch auf seinem Profil bei meinanwalt.at sowie auf der Website der Kanzlei Kugler & Wohlgemuth.
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