Steuerhinterziehung ist in der Regel nur strafbar, wenn der Täter zumindest grob fahrlässig handelt. Mit dem Steuerreformgesetz 2015/16 (StRefG 2015/2016, BGBl I 2015/118, Wirksamkeit ab 01.01.2016) wurde die Definition der groben Fahrlässigkeit im Finanzstrafrecht in § 8 Abs 3 FinStrG eingeführt. Die Definition der groben Fahrlässigkeit in § 8 Abs 3 FinStrG ist ident mit derjenigen in § 6 Abs 3 StGB. Leichte Fahrlässigkeit gem § 8 Abs 2 FinStrG genügt bei folgenden FinStrG-Delikten: § 43 Abs 4, § 48 Abs 1, § 48a Abs 1, § 48b Abs 1 und § 52 Abs 1 FinStrG. Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kann immer nur im konkreten Einzelfall geprüft werden.
Bevor auf die grobe Fahrlässigkeit näher eingegangen werden kann, muss zuerst der Begriff der Fahrlässigkeit im Allgemeinen erörtert werden. Grundsätzlich setzt das Fahrlässigkeitsunrecht zwei Komponenten voraus: die (objektive) Sorgfaltspflichtverletzung und die (objektive) Vorhersehbarkeit (= Erkennbarkeit oder Eintrittswahrscheinlichkeit) der Tatbestandsverwirklichung.
Eine Sorgfaltspflichtverletzung begeht, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unberücksichtigt lässt. Als Maßfigur dient hierbei der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich, in der konkreten Lage des Täters, zu denken hat. Objektiv hat der Täter somit jenes Ausmaß an Sorgfalt anzuwenden, zu dem er nach den Umständen des Einzelfalls verpflichtet ist und das den Anforderungen des Verkehrskreises, dem der Normadressat angehört, entspricht.
Neben der (objektiven) Sorgfaltspflichtverletzung ist für die Begründung einer Fahrlässigkeitsverantwortung auch immer die (objektive) Vorhersehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung notwendig. Nachzuweisen ist, dass der bewirkte Erfolg für den Täter vorhersehbar war, dh, dass er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt zumindest in der Lage war, den Eintritt eines solchen Erfolges als mögliche Folge seines Verhaltens zu erkennen. Dabei genügt aber eine Erkennbarkeit des Verlaufes im Allgemeinen - es ist nicht erforderlich, dass alle Einzelheiten des Erfolgseintritts voraussehbar sind. Grundsätzlich wird die Vorhersehbarkeit eines Erfolgs somit dann zu bejahen sein, wenn dieser nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eintreten konnte.
Dem Gesetz nach agiert grob fahrlässig, wer „[…] ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war“ (§ 8 Abs 3 FinStrG). Demnach sind nur jene Fälle als grob fahrlässig einzustufen, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigen (RIS-Justiz RS0030303). Bei der Auslegung des Begriffes kann sowohl die zivilrechtliche (vgl RIS-Justiz RS0030644) als auch die strafrechtliche Judikatur (vgl RIS-Justiz RS0117930) herangezogen werden.
Der Begriff der groben Fahrlässigkeit verlangt daher eine auffallende und ungewöhnliche Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten. Der Eintritt eines tatbildmäßigen Erfolges – konkret einer Abgabenverkürzung – muss als geradezu wahrscheinlich und nicht bloß als entfernt möglich vorhersehbar sein (vgl UFS Salzburg 09.12.2010, FSRV/0001-S/09). Der Sorgfaltsverstoß muss nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv schwer vorzuwerfen sein. Weiters ist auch auf den Sorgfaltsmaßstab einer fiktiven Vergleichsperson aus Berufs- und Bildungskreis des Beschuldigten abzustellen (vgl BFG 13.09.2016, RV/7300031/2016) (zB Geschäftsführer oder Steuerberater).
Steuerverkürzungen sind in der Regel nur strafbar, wenn der Täter zumindest "grob fahrlässig" handelt. Grobe Fahrlässigkeit erfordert eine qualifizierte Sorgfaltspflichtverletzung und eine qualifizierte Vorhersehbarkeit des tatbestandsmäßigen Erfolgs. Der Schadenseintritt muss sich geradezu aufgedrängt haben. Im Ergebnis muss es sich um ein Ereignis handeln, dessen Eintreten im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
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