In der Entscheidung 6 Ob 224/13 d vom 10.04.2014 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) die Zulässigkeit einer grenzüberschreitenden Sitzverletzung grundsätzlich bejaht. Dabei bezieht sich der OGH auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in dessen Entscheidungen Cartesio (C-210/06) und Vale (C-378/10) und auf die darin entwickelten Grundsätze zur Sitzverlegung.
Grundlage der OGH-Entscheidung war eine Sitzverlegung einer italienischen Personengesellschaft von Italien nach Österreich. Eine solche Sitzverlegung sei nach Ansicht des OGH zulässig, wenn gleichzeitig auch der Verwaltungssitz dieser Gesellschaft nach Österreich verlegt wird und die Gesellschaft sämtliche Voraussetzungen erfüllt, die nach dem Recht des Wegzugsstaats für eine solche Umwandlung bestehen. Weiters muss die Gesellschaft den Anforderungen des österreichischen Gesellschaftsrechts (insbesondere in Bezug auf Satzung, Kapitalausstattung und Organbesetzung) entsprechen.
Bei einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung wird die Gesellschaft aus dem Register des Wegzugsstaates gelöscht und im Register des Zuzugsstaates neu eingetragen. Es ist auch zu betonen, dass bei einer solchen Sitzverlegung die Identität der Gesellschaft gewahrt bleibt. Die Wahrung der Identität bedeutet, dass es zu keiner Übertragung des Gesellschaftsvermögens kommt und die Gesellschafterrechte aufrecht bleiben.
Grundsätzlich ist zu erwähnen, dass es kein eigenes Gesetz zur Durchführung einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung gibt; dies im Gegensatz zur grenzüberschreitenden Verschmelzung. Aus diesem Grund bleibt einem lediglich der Bezug auf die EuGH- und OGH-Rechtsprechung.
Die praktische Umsetzung einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung soll im folgenden Beispiel der Sitzverlegung einer deutschen GmbH nach Österreich veranschaulicht werden:
1. Generalversammlung in der deutschen GmbH: Zunächst ist in der deutschen GmbH eine Generalversammlung abzuhalten, in welcher die formwechselnde Umwandlung in eine österreichische GmbH und die Sitzverlegung beschlossen werden. Der neue Sitz der Gesellschaft ist im Generalversammlungsprotokoll bereits anzuführen. Gleichzeitig ist der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft neu zu fassen, sodass er den Bestimmungen des österreichischen GmbH-Gesetzes (GmbHG) entspricht.
2. Antrag beim deutschen Handelsregister: Der Antrag samt Beilagen ist beim deutschen Handelsregister einzureichen. Im deutschen Handelsregister wird in der Folge eingetragen, dass die deutsche Gesellschaft die formwechselnde Umwandlung der Gesellschaft in die gleichzeitig errichtete GmbH nach dem Recht der Republik Österreich mit dem Sitz in Österreich beschlossen hat. Der Formwechsel wird jedoch erst mit Eintragung des neuen Rechtsträgers im österreichischen Firmenbuch wirksam.
3. Anmeldung beim österreichischen Firmenbuch: In der Folge ist die grenzüberschreitende Sitzverlegung beim österreichischen Firmenbuchgericht anzumelden. Es ist zu empfehlen, vorab die Vorgehensweise mit dem zuständigen Firmenbuchrichter zu besprechen.
Es ist zu beachten, dass ein Nachweis über die erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft erbracht werden muss. Zunächst ist eine Erklärung des Geschäftsführers im Firmenbuchantrag abzugeben, wonach das Stammkapital durch die Aktiven der Gesellschaft gedeckt ist und sich zu seiner freien Verfügung befindet.
Zur Wahrnehmung der diesbezüglichen Prüfpflicht des Firmenbuchgerichtes ist diesem auch zumindest der letzte Jahresabschluss der Gesellschaft vorzulegen. Nach herrschender Ansicht ist Voraussetzung für die Eintragung der Importsitzverlegung einer Kapitalgesellschaft, dass ein Nettoaktivvermögen mindestens in Höhe des Nennkapitals vorhanden sein muss, und zwar ungeachtet der Rechtsform des den Sitz verlegenden Rechtsträgers. Dies bedingt, dass der Hergang der Sitzverlegung von der Geschäftsführung und von einem gerichtlich zu bestellenden Gründungsprüfer (Sitzverlegungsprüfer) zu prüfen ist, wobei Prüfungsgegenstand im Wesentlichen die Kapitaldeckung der Importgesellschaft ist.
Diesbezüglich ist zu empfehlen, bereits im Firmenbuchantrag einen Gründungsprüfer (in der Regel ein Wirtschaftsprüfer) vorzuschlagen und eine dementsprechende Erklärung von diesem vorzulegen, wonach der vorgeschlagene Gründungsprüfer die Bestellung annehmen würde und keine Ausschließungsgründe vorliegen.
Außerdem sind mit dem Firmenbuchantrag der aktuelle Handelsregisterauszug der deutschen GmbH, aus dem der Sitzverlegungsbeschluss ersichtlich ist, die aktuelle Gesellschafterliste sowie die beglaubigte Musterzeichnung der Geschäftsführung vorzulegen.
4. Prüfbericht der Geschäftsführung: Weiters ist von der Geschäftsführung ein Prüfbericht zu erstellen und dem Firmenbuchgericht zu übermitteln. Darin ist der Hergang der Sitzverlegung zu schildern und insbesondere auf die Kapitalausstattung und das Nettoaktivvermögen der Gesellschaft einzugehen. Es müsste unter anderem bestätigt und mit einer kurzen Berechnung nachgewiesen werden, dass das Nettoaktivvermögen der Gesellschaft deren Stammkapital erreicht bzw. übersteigt.
5. Bestellung des Gründungsprüfers: In der Folge wird der Gründungsprüfer vom Firmenbuchrichter bestellt und es ist dessen Gutachten abzuwarten. In der Regel legt der Gründungsprüfer sein Gutachten direkt dem Firmenbuchgericht vor. Darin hat er zu bestätigen, dass das Nettoaktivvermögen der Gesellschaft deren Stammkapital erreicht bzw. übersteigt.
6. Eintragung im österreichischen Firmenbuch: Sofern das Gutachten des Gründungsprüfers positiv ist und dessen Inhalt den Voraussetzungen entspricht, steht einer Eintragung der vormaligen deutschen GmbH im österreichischen Firmenbuch nichts mehr im Wege. Die Eintragung im österreichischen Firmenbuch wird auch gleichzeitig dem deutschen Handelsregister mit einem aktuellen Firmenbuchauszug mitgeteilt.
7. Vermerk im deutschen Handelsregister: In der Folge wird im deutschen Handelsregister vermerkt, dass der neue Rechtsträger im österreichischen Firmenbuch eingetragen wurde. Damit gilt die deutsche GmbH als gelöscht bzw. der Formwechsel als rechtswirksam vollzogen.
Für die grenzüberschreitende Sitzverlegung spricht, dass sie in der Regel kostengünstiger und mitunter auch schneller als die Verschmelzung durchgeführt werden kann. Für die gesamte Abwicklung ist mit einer Dauer von ca. 3-4 Monaten zu rechnen. Dies hängt jedoch vor allem von der Bearbeitungsdauer der jeweiligen Gerichte und des Gründungsprüfers ab.
Für die grenzüberschreitende Sitzverlegung fallen Kosten für den begleitenden Rechtsanwalt, die beurkundenden Notare im In- und Ausland, für den Gründungsprüfer, für die jeweiligen Gerichtsgebühren sowie allenfalls für einen Steuerberater an. Diese sind einzelfallbezogen, hängen von verschiedenen Faktoren ab und können nicht pauschal abgeschätzt werden.
Um eine möglichst effiziente Abwicklung zu gewährleisten, ist es empfehlenswert, die rechtliche Begleitung und Dokumentenerstellung im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Sitzverlegung von einem darauf spezialisierten Rechtsanwalt durchführen zu lassen.
Dr. Christian Hafner ist Rechtsanwalt bei der renommierten Wirtschaftskanzlei HASCH & PARTNER Anwaltsgesellschaft mbH. Er betreut Unternehmen in allen Größenklassen, vorwiegend in den Bereichen Vertragsrecht, Gesellschaftsrecht, Umgründungsrecht, Mergers & Acquisitions und im Immobilienrecht. Weitere Informationen über Dr. Christian Hafner finden Sie auch auf seinem Profil bei meinanwalt.at sowie auf der Website von Hasch & Partner.
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