Formgültigkeit eines fremdhändigen Testaments | Entscheidung OGH 2Ob86/21t 26.05.2021

„Sterben und Erben bringen viel Kummer“. Ganz im Sinne dieses deutschen Sprichwortes steht auch die letzte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes OGH 2Ob86/21t 26.05.2021 zum Thema fremdhändiges Testament. Der Tod eines geliebten Menschen an sich ist schon mit genügend Kummer verbunden, da sollte zumindest der Nachlass des Verstorbenen nicht noch zusätzlich für Probleme sorgen. Der „letzte Wille“ einer verstorbenen Person trägt jedoch bekanntlich ein großes Streitpotential in sich, kann er sich schließlich nicht mehr dazu äußern. Wichtig ist daher, dass schon zu Lebzeiten alle Formerfordernisse und sonstigen Voraussetzungen für ein gültiges Testament eingehalten werden, damit die Abwicklung der Verlassenschaft so reibungslos wie möglich von statten gehen kann.

Mag. Walter BRUNNER | 04.02.2022 | Erbrecht Seite drucken

Ganz grundsätzlich steht es jedem Menschen frei, für den Falle des Todes über sein Hab und Gut zu Verfügen. Hat sich der verstorbene dazu entschieden, seinen letzten Willen niederzuschreiben und nur gewissen Personen, seinen Nachlass zu vermachen, so tritt eine gewillkürte Erbfolge an die Stelle der gesetzlichen Erbfolge. (mit Ausnahme des Pflichtteils). Das Gesetz kennt verschiedene Arten von letztwilligen Verfügungen, wobei Unterscheidungen zum einen aufgrund der Art und Weise der Verkündung, also mündlich oder schriftlich, vorgenommen werden, zum anderen aber auch aufgrund dessen, wer sie verfasst hat und wie. Jede schriftliche letztwillige Verfügung, die nicht vom Verfügenden selbst, also „eigenhändig“ geschrieben wurde, ist „fremdhändig“. Sie kann dem zu Folge von einer anderen Person handschriftlich, maschinenschriftlich oder durch Computerausdruck schriftlich verfasst sein. Selbst wenn der Verfügenden sein Testament selbst verfasst, dies jedoch maschinell, spricht man von einem fremdhändigen oder allographen Testament. (Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kommentar zum ABGB5 § 579 Rz 1 (2017)) Mit dem ErbRÄG 2015 wurde das Erbrecht erst vor kurzer Zeit umfassend reformiert. Aus den Materialien zum ErbRÄG 2015 geht eindeutig die Absicht des Gesetzgebers hervor, das fremdhändige Testament fälschungssicherer zu machen. Um dem höheren Fälschungsrisiko des fremdhändigen Testaments Genüge zu tun, ist dieses gem. §579 ABGB an verschärfte Gültigkeitsvoraussetzungen - bei sonstiger Ungültigkeit - gebunden:

  1. Der Testator muss seinen letzten Willen – die schriftliche Urkunde – vor drei Testamentszeugen eigenhändig unterschreiben. Das ErbRÄG stellt klar, dass die Testamentszeugen bei der Unterschrift des Verfügenden gleichzeitig anwesend sein müssen (Einheit des Testieraktes) Nicht von Relevanz ist dabei, ob die Zeugen den Inhalt des Testaments kennen, (§579 Abs 2 S2 ABGB) sie müssen die Urkunde jedoch ohne Zweifel für den letzten Willen des Verfügenden halten.
  2. Zusätzlich zur Unterschrift muss er (der Testator) die Urkunde mit einem eigenhändigen Zusatze versehen, der zweifelsfrei bestätigt, dass es sich tatsächlich um den letzten Willen des Testators handelt. (z.B.: „So soll es sein“; „Mein letzter Wille“; „das will ich“) Ein Zusatz wie ein bloßes „ok“ wäre dagegen unzureichend.
  3. Des Weiteren müssen auch die drei Testamentszeugen neben ihrer Unterschrift auf ihre Eigenschaft als ersuchte Testamentszeugen handschriftlich hinweisen (Abs 2). In Bezug auf Testamentszeugen muss deren Identität eindeutig aus der Urkunde hervorgehen. Die Unterschriftsleistung der Zeugen hat unmittelbar auf die Erklärung des letztwillig Verfügenden zu folgen, um den verschärften Formvoraussetzungen zu genügen. (OGH 6 OB 321/98v SZ 72/16) Bezüglich der Zeugen gilt, dass unter Minderjährige, Sinnlose, Blinde, Taube oder Stumme sowie etwa auch Personen, welche die Sprache des Erblassers nicht verstehen können als Testamentszeuge ausgeschlossen sind. Ebenso Zeugnisunfähig sind im Testament begünstigte Personen sowie deren Ehegatte, eingetragener Partner oder Lebensgefährte, die Eltern, Kinder, Geschwister sowie die Eltern, Kinder und Geschwister des Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten des Begünstigten.

Bisherige Rechtsprechung zur „Identität der Zeugen“

Laut den Materialien zum ErbRÄG 2015 muss - damit die Identität der Zeugen eindeutig festgestellt werden kann - nicht nur Vor- und Familienname, sondern auch das Geburtsdatum oder die (Berufs-) Adresse der Zeugen beigefügt sein. Diese Angaben können fremdhändig oder etwa auch vom Verfügenden oder von den Zeugen eigenhändig geschrieben worden sein, die Zeugen müssen aber in jedem Fall auf der Urkunde mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden und eigenhändig geschriebenen Zusatz unterschreiben. Das Nicht-Vorhandensein aller erforderlichen Informationen macht das Testament automatisch formungültig, unabhängig davon, ob die Zeugen mit den vorhandenen Informationen eindeutig identifiziert werden könnten. Die Unterschrift der Testamentszeugen muss auf der Urkunde erfolgen, die den Text der letztwilligen Anordnung enthält. Die Unterschrift auf einem zusätzlichen losen und leeren Blatt reicht für die Erfüllung der Formvorschrift nicht aus. (OGH 2 Ob 192/17z 26.06.2018)

Neue Rechtsprechung zur „Identität der Zeugen“

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner ersten und – soweit überblickbar – bisher einzigen Entscheidung OGH 2Ob86 21t vom 26.05.2021 zum Formerfordernis in § 579 Abs 2 ABGB festgehalten, dass die Identität der Zeugen aus der Urkunde hervorgegen muss. Dabei wurde auch bedacht auf die erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage genommen, wonach jeweils Identität der Zeugen, insbesondere Vor- und Familiennamen sowie Geburtsdatum oder (Berufs-)Adresse hervorgehen müsse, um sie identifizierbar und damit ihre Eignung überprüfbar zu machen und explizit ausgeführt, dass es auf diese Merkmale nicht ankommt und ein Fehlen per se noch nicht zur Ungültigkeit führt. Rechtssätze, die im Gesetz nicht angedeutet sind und nur in den Materialien stehen, können nicht durch Auslegung Geltung erlangen. (RS0008799) Eine Bindung an die Gesetzesmaterialien bei Auslegung eines Gesetzes besteht generell nicht. (RS0008799) Die Nichtanführung der in den Materialien genannten Kriterien „(Vor- und Familienname, Geburtsdatum, [Berufs-]Adresse)“ kann daher noch nicht automatisch zur Ungültigkeit des Testaments führen. Die überwiegende Meinung im Schrifttum vertritt die Ansicht, dass hier bloß eindeutig feststellbar sein muss, um wen es sich bei den Zeugen handelt. Gefordert ist daher bloß, dass die Identität der Zeugen eindeutig festgestellt werden kann. Dies kann sich ENTWEDER durch das Anführen des Geburtsdatums UND/ODER die Wohn- UND/ODER Berufsadresse geschehen. Ob der Testamentsersteller oder dritte Personen die Identität der Zeugen feststellen können spielt nämlich in Hinblick auf die Formgültigkeit keine Rolle, wichtig ist, dass sich die Identität bereits ausschließlich aus der Urkunde ergibt. Im Ergebnis hat die neue Rechtsprechung nunmehr zur Folge, dass die Gültigkeitsvoraussetzungen eines fremdhändigen Testaments etwas einfacher erfüllt werden können als zuvor. Das Fehlen einzelner Informationen mach den letzten Willen des Verfügenden nicht automatisch ungültig. Vielmehr muss im Einzelfall festgestellt werden, ob die Identität aus dem Zusatz eindeutig hervorgeht, wobei ein vollständiges Fehlen von Namen, Geburtsdatum und Adresse wohl in der Regel eine Identifizierbarkeit ausschließen wird. Zusammengefasst ist daher trotz der neuen Entscheidung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Identität der Zeugen durch einen Zusatz aus der Urkunde hervorgeht.

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