meinanwalt.at: Herr Dr. Völkel, Sie haben bereits einige Karriere-Stationen durchlaufen. Möchten Sie uns etwas über Ihre Person erzählen?
Oliver Völkel: Gern. Meine rechtswissenschaftliche Laufbahn habe ich an der Universität Wien am Institut für Strafrecht begonnen, wo ich einige Jahre lang als Universitätsassistent tätig war. Mich hat aber immer schon die Praxis gerufen. 2010 habe ich entschieden, die Anwaltslaufbahn einzuschlagen. Zunächst habe ich bei der internationalen Anwaltskanzlei DLA Piper begonnen und dort Erfahrung mit Immaterialgüterrecht gesammelt. Bank- und Kapitalmarktrecht hat mich aber immer mehr interessiert. Bei meiner derzeitigen Kanzlei kann ich das gut mit meinen anderen Interessen verbinden.
meinanwalt.at: Sie sind in Ihrer anwaltlichen Praxis vorwiegend im Bereich des Kapitalmarktrechts und M&A tätig. Ein weiterer Schwerpunkt ist die rechtliche Beratung von Ärzten und Krankenanstalten. Wie würden Sie allgemein Ihre Mandantenstruktur beschreiben?
Oliver Völkel: Das ist von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet ganz unterschiedlich. In der banken- und kapitalmarktrechtlichen Beratung sind es einerseits klarerweise Banken und Finanzinstitute. Andererseits erkennen aber auch immer mehr KMUs den Vorteil, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren. Aber wir sprechen heute hauptsächlich von Ärzten. Hier beraten wir die gesamte Bandbreite, die in der Medizin zu finden sind, Einzelordination, Ordinations- oder Apparategemeinschaften, Gruppenpraxen, selbständige Ambulatorien und auch bettenführende Krankenanstalten.
meinanwalt.at: Viele Ärzte überlegen, ob sie sich angesichts des auch in der Ärztebranche gestiegenen Kostendrucks zu einer Praxisgemeinschaft zusammenschließen sollen. Wann macht der Zusammenschluss im Rahmen einer Praxisgemeinschaft Sinn?
Oliver Völkel: Eine Gruppenpraxis kann immer dann sinnvoll sein, wenn sich zwei oder mehrere Ärzte zu mehr als einer bloßen Apparategemeinschaft zusammenschließen möchten.
meinanwalt.at: Ärzte können sich auch zu sogenannten Ordinationsgemeinschaften – von Ihnen Apparategemeinschaften genannt - zusammenschließen. Worin besteht der Unterschied gegenüber der Praxisgemeinschaft?
Oliver Völkel: Dies hängt davon ab, wie die Ordinationsgemeinschaft ausgestaltet ist. Teilen sich Ärzte etwa lediglich Räumlichkeiten und Geräte, ohne aber eine Gesellschaft zu gründen, bleibt jeder Arzt für sich selbst verantwortlich. Die Gruppenpraxis ist dagegen eine eigene Rechtsperson, das bedeutet, dass etwa die Betriebsausstattung, der Patientenstock oder der Kassenvertrag primär der Gesellschaft gehören und nicht mehr den einzelnen Ärzten. Der Arzt ist Gesellschafter, ihm gehört ein Stück an der Gesellschaft.
meinanwalt.at: Welche Rechtsformen kommen für eine Praxisgemeinschaft grundsätzlich in Frage?
Oliver Völkel: Dazu hat der Gesetzgeber genaue Vorgaben gemacht. Es kommen entweder die Offene Gesellschaft oder die GmbH in Betracht. Andere Gesellschaftsformen sind unzulässig.
meinanwalt.at: Offene Gesellschaft oder GmbH – Wofür sollten sich Ärzte entscheiden?
Oliver Völkel: Welcher Rechtsform der Vorzug zu geben ist, richtet sich nach verschiedenen Gesichtspunkten und kann pauschal nicht beantwortet werden. Zum einen kann die steuerliche Situation der Ärzte ausschlaggebend sein: Ab einem gewissen jährlichen Umsatz ist der Zusammenschluss in einer GmbH günstiger.
meinanwalt.at: Des Weiteren dürfte die Haftungsbeschränkung für Ärzte bei einer GmbH interessant sein.
Oliver Völkel: Ja, die Frage nach der ärztlichen Haftung ist definitiv ein Thema und für die Rechtswahl nicht unbedeutend. Hier ist vor allem wesentlich, dass Behandlungsverträge mit dem Patienten im Rahmen der Gruppenpraxis nicht mehr vom Arzt persönlich geschlossen werden, sondern von der Gesellschaft. Die GmbH bietet einen gewissen Schutz. Vor allem geht es hier um die Haftung für Kunstfehler von Mitgesellschaftern. Die Haftung ist dann auf das Vermögen der GmbH beschränkt.
meinanwalt.at: Das heißt, eine Ärzte-GmbH bedeutet eine Beschränkung des Haftungsrisikos auf die Höhe des Gesellschaftsvermögens.
Oliver Völkel: Grundsätzlich ist das richtig, wenn es um eine Haftung aus dem Behandlungsvertrag geht. Es darf aber nicht übersehen werden, dass es neben dem Behandlungsvertrag auch noch die allgemeine Haftung, sogenannte deliktische Haftung, des Arztes für Kunstfehler gibt. Aber einerseits ist diese Art der Haftung in der Praxis schwieriger zu verfolgen und andererseits besteht hier eben keine Mithaftung der anderen Gesellschafter.
meinanwalt.at: Wie sieht die Haftungs-Situation bei der Offenen Gesellschaft aus?
Oliver Völkel: Wird die Offene Gesellschaft als Rechtsform gewählt, haften alle Gesellschafter persönlich – zum Beispiel für Kunstfehler auch der anderen Ärzte im Rahmen eines Behandlungsvertrags. Daneben besteht weiterhin die eigene Haftung.
meinanwalt.at: Ab welcher Zahl von Ärzten kann eine Praxisgemeinschaft gegründet werden? Kann eine Ärzte-GmbH auch von einem Arzt gegründet werden – etwa um von dem Haftungsprivileg zu profitieren?
Oliver Völkel: Die Gründung durch einen Arzt alleine ist nicht möglich. Das gilt sowohl für die GmbH als auch für die Offene Gesellschaft. Das ist übrigens eine Besonderheit des Gruppenpraxenrechts. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann für gewöhnlich auch durch eine Person allein gegründet werden.
meinanwalt.at: Wer kann Gesellschafter einer Gruppenpraxis werden? Ist dies nur Ärzten vorbehalten?
Oliver Völkel: Ja, hier gibt es strenge Vorgaben. Bei anderen Professionen ist es nicht unüblich, Familienmitglieder zu Gesellschaftern zu machen. Das ist bei der Gruppenpraxis nicht so einfach möglich. Gesellschafter dürfen nur Ärzte sein. Familienmitglieder, die keine Ärzte sind oder auch Angehörige von anderen Gesundheitsberufen können nicht als Gesellschafter aufgenommen werden. Selbst pensionierte Ärzte werden nicht als Gesellschafter zugelassen. Zulässig ist es jedoch, mit Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen eine fächerübergreifende Gruppenpraxis zu bilden.
meinanwalt.at: Müssen die Ärzte, die Gesellschafter sind, auch in der Gemeinschaftspraxis ordinieren?
Oliver Völkel: Nicht unbedingt. Die Gesellschafter müssen sich auf einen Standort der Gruppenpraxis einigen. An diesem Standort können die Gesellschafter ordinieren. Daneben kann es aber auch andere Standorte geben.
meinanwalt.at: Welche Rolle spielt generell die Wahl des Standorts?
Oliver Völkel: Eine sehr wesentliche Rolle. Die Gruppenpraxis darf grundsätzlich nur einen einzelnen Berufssitz haben, der zugleich auch Berufssitz der an ihr beteiligten Ärzte ist. Daneben darf eine Gruppenpraxis mit aufrechtem Kassenvertrag unter bestimmten Voraussetzungen mehrere Standorte haben, jedoch höchstens so viele wie Gesellschafter. Einer dieser Standorte muss zum Berufssitz der Gruppenpraxis erklärt werden. Jeder Gesellschafter darf zwar an sämtlichen Standorten der Gruppenpraxis seinen Beruf ausüben, in diesem Fall jedoch keinen sonstigen Berufssitz haben. Die Gesellschafter sind übrigens zur persönlichen Berufsausübung verpflichtet. Gerade dieser Punkt kann in der Praxis kritisch werden.
meinanwalt.at: Welche Beschränkungen gibt es bei der Namensgebung für Gruppenpraxen? Sind Fantasienamen zulässig?
Oliver Völkel: Der Firmenname muss den sogenannten allgemeinen firmenrechtlichen Grundsätzen entsprechen. Daneben gibt es aber bei der Gruppenpraxis Besonderheiten. Ganz allgemein gilt, dass der Firmenname zur Kennzeichnung geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen muss. Die Firma darf auch nicht irreführend sein. Bei Gruppenpraxen kommen eben noch Sonderregelungen hinzu. Es muss etwa jedenfalls der Name eines Gesellschafters und die Fachrichtung oder Fachrichtungen angegeben werden, die in der Gruppenpraxis angeboten werden. Sach- und Fantasiebezeichnungen sind grundsätzlich als Zusatz zulässig. Es empfiehlt sich auch, im Firmennamen auf die Rechtsform als Gruppenpraxis hinzuweisen.
meinanwalt.at: Wer darf eine Gruppenpraxis nach außen vertreten?
Oliver Völkel: Keine unwesentliche Frage: Wer hat das Sagen? Die Gesellschafter können hier grundsätzlich frei entscheiden, wer von ihnen die Gruppenpraxis verpflichten können soll. Verträge im Namen der Gruppenpraxis können dann nur von den zur Geschäftsführung bestellten Ärzten geschlossen werden. Davon ausgenommen sind Behandlungsverträge. Diese können immer von allen beteiligten Ärzten im Namen der Gruppenpraxis geschlossen werden.
meinanwalt.at: Gibt es eine Weisungsbefugnis gegenüber dem einzelnen Arzt bei seiner ärztlichen Berufsausübung?
Oliver Völkel: Nein. Das Gesetz ist hier sehr deutlich. Die Berufsausübung der Gesellschafter darf nicht an eine Weisung oder auch nur an die Zustimmung der Gesellschafter gebunden werden. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass nur Gesellschafter in der Gruppenpraxis als Ärzte tätig sein dürfen. Eine Anstellung von Ärzten ist ausgeschlossen. Die Vertretung eines verhinderten Arztes ist aber freilich auch im Rahmen einer Gruppenpraxis zulässig.
meinanwalt.at: Wie Sie bereits ausgeführt haben, sind die Ärzte zur persönlichen Ausübung ihres Berufs in der Gemeinschaftspraxis verpflichtet. Dürfen die Ärzte als Gesellschafter noch weiteren Tätigkeiten nachgehen?
Oliver Völkel: Das kommt auf die angestrebte Tätigkeit an. Eine Anstellung in einer Krankenanstalt oder Tätigkeit als Konsiliararzt kann zulässig sein. Ob eine weitere Ordination betrieben werden kann, hängt davon ab, ob die Gruppenpraxis selbst über einen oder mehrere Standorte verfügt. Hat die Gruppenpraxis nur einen Standort, dann können die Ärzte weiterhin eine Zweitordination betreiben. Hat die Gruppenpraxis mehrere Standorte, dann ist der Betrieb einer Zweitordination ausgeschlossen.
meinanwalt.at: Sind Beschränkungen der Arztwahl von Patienten im Rahmen von Praxisgemeinschaften zulässig?
Oliver Völkel: Nein. Für die Patienten ist die freie Arztwahl unter den Ärzten zu gewährleisten.
meinanwalt.at: Nach Klärung all dieser Fragen – welche Schritte müssen zur Gründung einer Praxisgemeinschaft konkret gesetzt werden?
Oliver Völkel: Den ersten Schritt bildet der Abschluss des Gesellschaftsvertrags und die Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch. Auch hier gilt es verschiedene Besonderheiten zu beachten und Fallstricke zu vermeiden. Mit rechtlicher Beratung bei der Gesellschaftsgründung lassen sich auch später Streitigkeiten vermeiden.
meinanwalt.at: Nach der Gesellschaftsgründung ist weiters entscheidend, ob es sich um eine Privat-Gemeinschaftspraxis handelt oder ob die Gesellschafter über Kassenverträge verfügen und erstattungsfähige Leistungen anbieten wollen. Müssen hier zusätzliche Zulassungsverfahren durchlaufen werden?
Oliver Völkel: Das ist ein wesentlicher Punkt. Ohne Kassenvertrag können nur Privatleistungen erbracht werden. Wird ein Kassenvertrag angestrebt, dann ist hierfür ein eigenes Verfahren zur Invertragnahme durchzuführen. Hier ist auch zu beachten, dass für Gruppenpraxen ein anderer Gesamtvertrag gilt als für Einzelordinationen. Auch bei der Invertragnahme kann anwaltliche Unterstützung von Vorteil sein.
meinanwalt.at: Wir danken Ihnen für das Gespräch!
Zur Person:
Dr. Oliver Völkel, LL.M. (Columbia) ist Rechtsanwalt in Wien. Er betreut Unternehmen in allen Größenklassen, vorwiegend in den Bereichen Bank- und Kapitalmarktrecht, Arzt- und Krankenanstaltenrecht, Liegenschafts- und Immobilienrecht sowie im Gesellschaftsrecht. Weitere Informationen über Dr. Oliver Völkel, LL.M., finden Sie auch auf seinem Profil bei meinanwalt.at.
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