Dr. Michael-Paul Parusel im Interview: Der richtige Umgang mit Inkassobüros

Ist eine Rechnung nicht bezahlt, kann schnell eine Mahnung eines Inkassobüros ins Haus flattern – Wie Sie sich bei Forderungen von Inkassobüros richtig verhalten, wie hoch Inkassokosten sein dürfen und wie Sie mit Hausbesuchen umgehen sollten, erklärt Rechtsanwalt Dr. Michael-Paul Parusel im Interview mit meinanwalt.at.

Dr. Michael-Paul Parusel | 25.03.2016 | Inkasso- und Exekutionsrecht Seite drucken

meinanwalt.at: Herr Dr. Parusel, Sie sind selbständiger Rechtsanwalt in Wien. Sie kommen ursprünglich aus Deutschland, sind aber seit nunmehr 18 Jahren in Österreich. Möchten Sie sich unseren Nutzern näher vorstellen?

Dr. Michael-Paul Parusel: Ich komme aus der schönen Kurpfalz – die ersten Schritte meines Lebens bin ich in Heidelberg gegangen – und ab dem 5. Lebensjahr in der Umgebung davon, in Sandhausen. Eingefleischte Fußballfans werden vielleicht den dortigen Fußballverein kennen, weil ein ehemaliger Rapid`ler, Stefan Kulovits, Kapitän der Mannschaft ist und Marco Knaller, noch ein Österreicher, im Tor steht.

Nach dem Abitur 1988 und dem 21-monatigen Grundwehrdienst begann ich mit dem Jus-Studium, war anfänglich auch fleißig und erarbeitete mir relativ schnell die Scheine, die ich für die Ablegung des deutschen „alles-oder-nichts“ Staatsexamens benötigte. Ich verlor in weiterer Folge jedoch irgendwie den Spaß, sodass sich mein ursprünglicher Geringfügigkeitsjob bei einer Autovermietung zum Hauptberuf entwickelte.

Erst als sämtliche Studienfreunde beruflich an mir vorbeizogen, wachte ich auf. Nur: Wer jemals in Heidelberg gelebt hat, weiß, dass es in dieser traditionsreichen Studentenstadt sehr schwer ist, sich nicht ablenken zu lassen. Die Stadt lässt sich ganz gut mit nachfolgendem Schmäh umschreiben: Was sind für einen Studenten dort die drei größten Lügen? 1. Du bist die Einzige für mich! 2. Der monatliche Scheck ist gedeckt! 3. Ich mache das nächste Semester Examen! Also ließ ich mich mit meiner damaligen Salzburger Freundin Ende 1997 auf das Experiment `Österreich für ein Jahr` ein, um in Ruhe zu lernen.

Aber auch dieses pure `Hineinfressen von Stoff auf Abruf` war nichts für mich. In Salzburg lernte ich den viel zu früh verstorbenen Professor Dr. Theo Mayer-Maly kennen. Einen Mann, den ich bis heute zutiefst privat und fachlich verehre. Er brachte mir durch seine Art der Wissensvermittlung den Spaß am Studieren und die Neugierde an der Jurisprudenz zurück. Ich zog dann relativ schnell das ganze österreichische Diplomstudium durch.

Ab Mai 2003 durchlief ich meine 12-monatige Rechtspraktikantenzeit, promovierte im Anschluss und schloss eine 3 ½-semestrige Ausbildung zum Mediator ab. 2008 siedelte ich nach Wien über, da ich dort eine Stelle als Konzipient fand.

Letztlich bin ich das, was man einen `Spätberufenen` nennt. Früher empfand ich es als Makel, keinen allzu `geraden` und schnelleren Weg in den Stand beschritten zu haben – inzwischen glaube ich aber, dass eine gewisse größere berufliche und wirtschaftliche Praxisnähe nur von Vorteil sein kann. `Iudex non calculat` trifft zumindest auf mich nicht zu.

meinanwalt.at: Mit welchen rechtlichen Problemen kann man als Mandant zu Ihnen kommen?

Dr. Michael-Paul Parusel: Ich bin das, was man allgemein als `Zivilrechtler` oder `Vertragsanwalt` nennt und bin hauptsächlich auf dem Gebiet des Unternehmens- und Wirtschaftsrechts, Gesellschafts-, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht tätig. In meiner Ausbildungskanzlei am Börseplatz hatte ich darüber hinaus ziemlich viel mit Bestandrecht zu tun. Das Exekutions- und Inkassorecht war mein `alltäglich Brot`. Ich bin und war auch gerne bei Gericht – kann also Causen nicht nur rein theoretisch vom Schreibtisch aus lösen. Mit Strafrecht hatte ich in den letzten Jahren eher weniger bis gar nichts zu tun - auch wenn ich 2003-2004 am Salzburger Landesgericht vier Monate Rechtspraktikant beim `Kaprun-Prozess` war und auf den alten Bildern von der Urteilsverkündung im Februar 2004 der Typ ganz links außen bin.

meinanwalt.at: Was ist Ihnen bei der Beratung von Mandanten wichtig?

Dr. Michael-Paul Parusel: Ich nehme mir ganz bewusst Zeit für Causen und zwinge mich zur Ruhe, weil für mich persönlich dies die einzigen zwei Abgrenzungskriterien sind, die einen guten von einem sehr guten Anwalt unterscheiden. Denn: Fachlich sind alle Rechtsanwälte spitze ausgebildet! Keine Frage, dass bringt sowohl das Studium mit sich, als auch die lange Konzipientenzeit, die eine große Portion an Idealismus benötigt.

Darüber hinaus habe ich meinen Beruf in einer Kanzlei gelernt, die mir sehr schnell beibrachte: `Machen Sie die Arbeit nicht schnell, sondern gut!`, denn letztlich zählt nur das erfolgreiche Ergebnis für einen Mandanten, nicht der schnelle Weg des Rechtsanwalts dorthin. Das erforderte für einen ungeduldigen Menschen wie mich anfänglich enorme Selbstdisziplin. Dennoch hilft mir diese Schule heute, auch in Stresssituationen nicht den Überblick zu verlieren.

Bereits in meiner Rechtspraktikantenzeit in Salzburg machte mich einer meiner Ausbildungsrichter auf ein Paradoxon aufmerksam. Er war eine Seele von Mensch, die jedoch aus der Haut fahren konnte, wenn der Satz fiel: „Aber Sie wissen doch, Herr Rat …!“ - weil er der Auffassung war: `Gerechtigkeit bekommen sie von mir nicht – aber ein Urteil!`.

Seiner Ansicht nach waren und sind Rechtsanwälte und Richter letztlich nur Krisenmanager, die nachträglich zur Lösung einer Krise beigezogen werden. Das Problem dabei ist, dass sie bei Ausbruch der Krise aber gar nicht anwesend waren, mit der Folge, dass sie zum schwächsten Glied in der Kette der Rechtsfindung werden, obwohl man von ihnen regelmäßig besondere Stärke und Wahrhaftigkeit verlangt. Die einzigen, die die tatsächliche Wahrheit kennen, weil sie den Streit ausgelöst haben, sind aber die Streitparteien – und die sitzen sich meist unversöhnlich gegenüber. Folge: Sowohl Richter als auch Rechtsanwalt müssen sich daher Informationen über den zu lösenden Sachverhalt zu allererst einmal er- und hinterfragen. Hat man aus der Sicht des Juristen aber erst einmal das Notwendigste erfragt, liegen die rechtlich relevanten und zu beurteilenden Probleme im Allgemeinen meist ganz woanders, als zu Beginn vermutet.

Diese Sicht der Dinge ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Deshalb ist für mich ein nochmaliges ruhiges Durchdenken der erhaltenen Informationen und `ein sich setzten lassen` der Causa wichtig. Das benötigt Zeit, die ein Rechtsanwalt – auch ich – aber nicht immer hat.

meinanwalt.at: Wir möchten heute mit Ihnen über Inkassobüros sprechen. Werden Rechnungen nicht bezahlt, schalten viele Unternehmen Inkassobüros ein. Wie sollte man bei Erhalt eines Mahnschreibens im ersten Moment richtig reagieren?

Dr. Michael-Paul Parusel: Erste Regel: Nicht in Panik verfallen oder das Schreiben ignorieren, sondern völlig emotionslos und unaufgeregt überprüfen, ob die Forderung zu Recht besteht! - Zweite Regel: Kommunikation – und wenn es nur ein kurzes Telefonat ist!

Für einen Schuldner sind ganz schematisch immer nur drei `Szenarien` nach dem Erhalt eines Mahnschreibens denkbar:

1. Besteht die Forderung nachweislich zu Unrecht, lassen sich Missverständnisse in der Regel durch ein Telefonat unproblematisch aufklären.

2. Besteht die Forderung zu Recht, wird keine Inkassounternehmen auf eine Bezahlung innerhalb von Minuten oder Stunden drängen, sondern es akzeptieren, wenn eine Bezahlung in überschaubarer Zeit nachgeholt wird. Jede eingetriebene Summe ist für das Inkassobüro ein Erfolg.

3. Besteht die Forderung zu Recht und steht der Schuldner vor der Zahlungsunfähigkeit, ist das Inkassobüro als Letztes daran interessiert, die Zahlungsunfähigkeit auch noch zu beschleunigen. Denn letztlich sind Inkassobüros auch nur Unternehmen, die damit Geld verdienen, die Eintreibung von Forderungen für andere Unternehmen zu organisieren. Nimmt das Inkassounternehmen keine Eintreibungen vor, verdient es kein Geld.

Bei einer Insolvenz bekommt der Gläubiger in der Regel aber vom Schuldner gar nichts oder eben nur eine verschwindend geringe Quote. Deshalb kann es nicht im Interesse des Inkassobüros sein, wenn der Schuldner `die Hand zum Schwur hebt´.

meinanwalt.at: Der Schuldner wurde schon das 2. oder 3. mal gemahnt -  wann dürfen Unternehmen Inkassobüros einschalten?

Dr. Michael-Paul Parusel: Kein Unternehmen benötigt überhaupt ein Inkassobüro. Bezahlt der Schuldner seine dem Grunde und der Höhe nach zu Recht bestehende Forderung nicht, kann der Unternehmer vor Gericht klagen.

Diese juristische `Holzhammermethode` hilft aber in der wirtschaftlichen Realität niemandem weiter - denn:

1. Besteht die Forderung des Gläubigers zu Unrecht, muss der klagende Gläubiger nicht nur für die eigenen Verfahrenskosten, sondern auch noch auf den Kosten des Klagegegners aufkommen – und die sind im Vergleich zum eingeklagten Betrag oft unverhältnismäßig hoch.

2. Besteht die Forderung zu Recht, bekommt das Unternehmen zwar den offenen Klagebetrag und die Kosten des Verfahrens zugesprochen – mitunter dauert es jedoch selbst in den einfachsten Fällen Monate, bis das rechtskräftige und vollstreckbare Urteil dem Gläubiger endlich auf dem Tisch liegt, welches dann auch noch exekutiert werden muss. Für jedes Unternehmen ist aber gerade der Zeitfaktor ein nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Faktor.

3. Gerichtsverfahren sind teuer – steht ein Schuldner vor der Insolvenz und kann die offene Forderung nicht bezahlen, wird er die Kosten des Verfahrens erst recht nicht zahlen können. Erneut würde eine Klage die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nur beschleunigen. Wo konkret aber kein Geld ist, hilft auch abstrakt kein Titel weiter. Der offene Betrag ist für das Unternehmen verloren - ihm bleibt letztlich nur die Möglichkeit, die offene Forderung auszubuchen.

meinanwalt.at: Inkassobüros verrechnen oft sehr hohe Gebühren.Wann dürfen sie von Schuldnern Inkassokosten verlangen bzw. gibt es hier Höchstgrenzen?

Dr. Michael-Paul Parusel: Die Höhe von Inkassokosten ist eindeutig in der Inkassogebührenverordnung (BGBl. Nr. 141/1996) geregelt. Die Gebührenverordnung ist im Internet abrufbar und auch für einen Nichtjuristen leicht verständlich, sodass jeder Schuldner sich nach Studium des Gesetzestextes selbst ausrechnen kann, ob die in Rechnung gestellten Inkassokosten in der geltend gemachten Höhe gerechtfertigt sind. Fällt dem Schuldner die Überprüfung der Inkassokosten allerdings schwer oder möchte er sich damit nicht beschäftigen, hilft der Gang zum Rechtsanwalt, der die Höhe der Inkassokosten berechnen kann - das ist Alltagsgeschäft.

Eine leider in letzter Zeit immer mehr in Mode kommendes `Unding` ist das Verschicken von mehr als 3 Inkassoschreiben, um die Inkassogebühren in die Höhe zu treiben. Das ist natürlich absurd – denn: Zahlt ein Schuldner nach einem 3. Aufforderungsschreiben nicht, wird er dies beim 4. oder 5. Mahnschreiben auch nicht tun, sodass die letzten zwei Schreiben nicht zielführend, zweckmäßig und notwendig sind. Diese Gebühren müssen vom Schuldner nicht getragen werden.

Ich empfehle bei solch einem gelagerten Fall dringend den Gang zum Rechtsanwalt. Dieser rechnet dann genau aus, was gerechtfertigt und tatsächlich zu bezahlen ist. Wird in weiterer Folge der gerechtfertigte Betrag beglichen, stelle ich durch Schreiben an das Inkassobüro die beglichene Summe schlüssig. In 99,9% der Fälle hat sich die Causa damit erledigt. Kein Inkassobüro wird versuchen, die Differenz zwischen gerechtfertigten und ungerechtfertigten Gebühren gerichtlich einzuklagen, da es dafür keine Anspruchsgrundlage gibt.

meinanwalt.at: Was sollten Schuldner tun, wenn Sie einen Mahnbescheid erhalten?

Dr. Michael-Paul Parusel: Bei einem Mahnbescheid gilt grundsätzlich das Gleiche, wie nach dem Erhalt eines Mahnschreibens: Nicht in Panik verfallen! Besteht die Forderung zu Recht? Wie kann die Causa kostengünstig `aus der Welt` geschafft werden?

Die von mir angesprochene oberste Regel aber, das Schriftstück nicht zu ignorieren, gilt verstärkt - denn immerhin befindet sich der Schuldner nunmehr in einem gerichtlichen Verfahren, in dem die Regeln der ZPO eingehalten werden müssen. Es laufen Fristen! Mein Rat daher: Der rasche Gang zum Anwalt ist zwingend geboten!

Denn: Besteht die Forderung des klagenden Unternehmens zu Recht und verfügt die beklagte Partei über die Geldmittel, den Betrag zu begleichen, ist es sinnvoll, die Klageforderung und Verfahrenskosten dem Verfahrensgegner schnellstens zu bezahlen, damit der Zinsenlauf nicht noch höhere Kosten zur Folge hat. Deshalb sollten von der beklagten Partei aus keine weiteren kostenintensiven Prozesshandlungen gesetzt werden, sodass der Zahlungsbefehl in Rechtskraft erwachsen kann. Die sofortige Bezahlung des offenen Saldos samt Verfahrenskosten kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die klagende Partei auch schriftlich zusichert, nach Erhalt des Geldes vom dem dann rechtskräftigen und vollstreckbaren Zahlungsbefehl keinen Gebrauch mehr zu machen - was in der Regel aber auch kein Problem darstellt: Es geht nur um`s Geld!

Gleiches gilt, wenn die Klageforderung des Gläubigers zwar zu Recht besteht, die beklagte Partei aber aufgrund eines finanziellen Engpasses nicht über die Geldmittel verfügt, den Gesamtbetrag in voller Höhe sofort zu bezahlen. Ich schlage in solchen Fällen dann immer den Abschluss einer Ratenvereinbarung bzw. eines Vergleiches zwischen Gläubiger und Schuldner vor, der letztlich eine `Win-Win-Situation` für beide Parteien darstellt: Der Gläubiger bekommt den offenen Betrag in voller Höhe bezahlt (wenngleich zeitlich gedehnt) – und der Schuldner bekommt die Möglichkeit, seine Schulden zu begleichen, ohne dass seine wirtschaftliche Existenz in Frage gestellt wird.

Nur im Falle einer absoluten Zahlungsunfähigkeit bleibt für den Schuldner nur noch der Gang in die Insolvenz, die allerdings niemand möchte - weder der Schuldner, aber auch nicht der Gläubiger, dessen offene Forderung dann niemals mehr oder nur als Quote eingetrieben werden kann.

meinanwalt.at: Oft werden Schuldner von Inkassobüros aufgefordert, Unterlagen, Verträge etc. zu übermitteln. Was soll man in diesem Fall tun?

Dr. Michael-Paul Parusel: Eine rhetorische Gegenfrage: Kennen sie einen Delinquenten, der dem Henker fröhlich den selbstgebastelten Strick reicht, an dem er aufknüpft wird? Ganz sicher nicht - aber nunmehr Spaß beiseite: In der Jurisprudenz gilt der Grundsatz: Derjenige, der etwas will, muss es beweisen! Deshalb bekommt das Inkassobüro vom Unternehmen auch jene Unterlagen zur Verfügung gestellt, die die offenen Forderungen dem Grunde und der Höhe nach belegen. Liegen diese Bescheinigungen nicht vor, dann ist es nicht die Aufgabe des Schuldners zu beweisen, dass er zu bezahlen hat, sondern es ist Aufgabe des Gläubigers zu beweisen, dass die behauptete offene Forderung besteht.

Deshalb mein Tipp: Nichts herausgegeben! Es gibt eine Ausnahme: Der Schuldner kann beweisen, dass der angemahnte Betrag aufgrund eines Versehens niemals bestanden hat oder nicht mehr besteht, weil er bereits bezahlt wurde: Dann können dem Inkassobüro diejenigen Belege zugesandt werden, die diesen Fehler aufklären.

meinanwalt.at: Wie sollte man mit Hausbesuchen von Inkassobüros umgehen? Ist man verpflichtet, die Mitarbeiter in die Wohnung zu lassen?

Dr. Michael-Paul Parusel: Seriöse Inkassobüros arbeiten in der Regel schriftlich: Sollten die Inkassoschreiben erfolglos bleiben, wird dem Kunden abschließend empfohlen, den Klageweg zu bestreiten. Die Arbeit des Inkassobüros ist dann getan.

Sollte es dennoch vorkommen, dass plötzlich Eintreiber vor der Tür stehen und Geld verlangen, gilt für diese, was für alle Privatpersonen gilt: Kein Schuldner braucht jemanden ohne Einwilligung in seine Wohnung oder auf sein Grundstück zu lassen. Keinem Inkassobüro oder Vertreter eines Inkassobüros kommt hoheitliche Gewalt zu, die ihm das Recht verleiht, die Privatsphäre eines Schuldners zu verletzten oder gar `rabiat` zu werden – dies wäre dann ein Fall für das Strafgesetzbuch. Deshalb: Nerven und Ruhe bewahren – freundlich und bestimmt auftreten!

meinanwalt.at: Von Inkassobüros werden oft Ratenzahlungsvereinbarungen angestrebt, die die Schuldner unterschreiben soll. Kann man im Nachhinein von solchen Vereinbarungen zurücktreten?

Vermehrt kommt es vor, dass Inkassobüros dem Schuldner Vertragsformblätter vorlegen, mit denen eine Ratenzahlung vereinbart wird. Aus diesen Vertragsformblättern ist allerdings oftmals die Gesamthöhe der zu bezahlen Kosten nicht eindeutig ersichtlich. Der Schuldner kann dann diese Ratenvereinbarung - unabhängig von dem Ort, an dem er diese Vereinbarung unterzeichnet hat - binnen 14 Tagen ab Unterschrift kündigen.

Deshalb meine 2 Tipps:

1. Grundsätzlich sollte im Inkassofall niemals unüberlegt und überhastet eine Unterschrift geleistet werden. Das gleiche gilt für Teilzahlungen, deren Bezahlung später nicht mehr nachweisbar sind – und ist der psychische Druck auch noch so groß!

2. Ist dies jedoch geschehen, ist es sinnvoll, unverzüglichen rechtlichen Beistand zu suchen, der die notwendigen Schritte einleitet, um diesen Fehler zu korrigieren! Denn auch hier laufen Fristen!

meinanwalt.at: Welchen abschließenden Rat können Sie unseren Nutzern im Zusammenhang mit Inkassobüros mit auf den Weg geben?

Dr. Michael-Paul Parusel: Erst einmal sollten wir uns von dem Bild lösen, welches uns Hollywood oder irgendwelche Privatsender in billigen TV-Produktionen `vorgaukelt`: Inkassobüros arbeiten in der Regel nicht mit finsteren Geldeintreibern in schwarzen Jacken und Baseballschlägern, sondern sind nichts Anderes als Unternehmen, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten handeln, und die Forderungseintreibung für andere Unternehmen übernehmen, weil diese Unternehmen aus den verschiedensten Gründen eine eigene Forderungseintreibung nicht vornehmen wollen oder können.

Verlieren Sie daher einen womöglich falschen Respekt. Natürlich gibt es auch `schwarze Schafe` in dieser Branche – die meisten Inkassobüros aber arbeiten `sauber`.

Mache Sie sich bewusst, dass sich Schuldner und Gläubiger auf Augenhöhe befinden. Meine Erfahrung sagt mir sogar, dass der Schuldner de-facto `am längeren Hebel` sitzt – denn auch Inkassobüros stehen unter wirtschaftlichem Erfolgszwang, sodass für diese Büros jeder eingetriebene Cent ist ein Erfolg ist. Eine Insolvenz des Schuldners nutzt niemandem – also ist bei den Modalitäten für die Bezahlung immer ein gewisses Maß an Verhandlungsspielraum gegeben, welchen man – sollte es für den Schuldner lediglich vorübergehend um einen wirtschaftlichen Engpass handeln – auch ausnutzen sollte.

Wem das Aushandeln von Ratenzahlungen oder Vergleichen mangels Erfahrung schwerfällt, sollte anwaltlichen Beistand suchen – dafür sind wir da!

meinanwalt.at: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Zur Person:

Dr. Michael-Paul Parusel ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien. Er berät sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen. Zu seinen Beratungsschwerpunkten zählt das Unternehmensrecht, Wirtschaftsrecht, Gesellschaftsrecht, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht, Inkasso- und Exekutionsrecht, Mediation und Mietrecht. Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Dr. Michael-Paul Parusel bei meinanwalt.at.

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