meinanwalt.at: Herr Dr. Öhlböck, Sie sind als selbstständiger Rechtsanwalt in Wien tätig. Können Sie uns etwas über Ihren bisherigen Werdegang erzählen?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Nach Beendigung meines Studiums der Rechtswissenschaften und nach Absolvierung des Gerichtsjahres begann ich meine Ausbildung als Rechtsanwaltsanwärter in einer renommierten Kanzlei für Wirtschaftsrecht in Wien. 2007 gründete ich die heutige Rechtsanwaltskanzlei.
meinanwalt.at: In welchen Rechtsgebieten sind Sie überwiegend tätig?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Ich berate und vertrete meine Klienten überwiegend in wirtschaftsrechtlichen Fragen. Die Beratungsschwerpunkte liegen im Geistigem Eigentum, Unternehmensgründungen, Vertriebsrecht sowie Internetrecht.
meinanwalt.at: Was ist Internetrecht für Sie?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Internetrecht ist im Grunde kein eigenständiges Rechtsgebiet, sondern vielmehr ein neuer Ort der Begehung. Die meisten juristisch relevanten Verhaltensweisen sind auch im Internet möglich. Das Internet ist sohin kein rechtsfreier Raum. Als Faustregel gilt: Handlungsweisen, die offline unzulässig sind, sind auch online nicht erlaubt.
meinanwalt.at: Bösartige Unterstellungen, Beleidigungen und kompromittierende Fotos in Sozialen Netzwerken nehmen kontinuierlich zu. Wie sind sie rechtlich zu beurteilen?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Wer beispielweise auf Facebook für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar zu Gewalt gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach bestimmten Kriterien definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zur Gruppe auffordert oder aufreizt (Hasspostings), riskiert ein Strafverfahren wegen Verhetzung nach § 283 StGB. Hasspostings sind damit kein Kavaliersdelikt, sondern werden im Gegenteil bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 283 StGB mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft. Daneben kommt ein Vorgehen wegen Ehrenbeleidigung, Stalking, Kreditschädigung, übler Nachrede, Beleidigung oder ab 01.01.2016 wegen Cybermobbing in Betracht.
meinanwalt.at: Wo verläuft die Grenze zwischen Hetze und erlaubter Äußerung?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Hetze ist eine in einem Appell an Gefühle und Leidenschaften bestehende tendenziöse Aufreizung zu Hass und Verachtung. Erlaubt können Äußerungen im Rahmen der Meinungsfreiheit sein. Ob diese Grenze überschritten wurde, ist oft unklar und lässt sich nur im Einzelfall beurteilen. Die Äußerung „Scheiß-Zigeuner, ihr gehört alle weggeräumt, ...“ bestreitet nach der Rechtsprechung (OLG Wien, 10.06.1991, 22 Bs 181/91) das Lebensrecht einer Gruppe als gleichwertige Bürger, stellt sie als minderwertigen oder wertlosen Teil der Gesellschaft dar und trifft sie damit im unverzichtbaren Kernbereich ihrer Persönlichkeit. Die Äußerung ist zB rechtswidrige Hetze.
meinanwalt.at: Gegen wen können Betroffene von negativen Postings auf Facebook vorgehen?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Geschädigte können gegen den Verfasser eines Hasspostings und den Medieninhaber jener Facebook-Seite vorgehen, der die Plattform für die Hetze bereitgestellt hat. Nach dem Mediengesetz ist Medieninhaber eines elektronischen Mediums, wer dessen inhaltliche Gestaltung und Ausstrahlung oder Verbreitung besorgt oder veranlasst. Da die Administratoren einer Facebook-Seite die Möglichkeit haben, jeden Kommentar ganz zu löschen, für andere User unsichtbar zu machen und andere Kommentierende zu blockieren, also ein Verfassen weiterer Kommentare auf der Facebook-Seite des Medieninhabers zu verhindern, erfüllen sie den Begriff des Medieninhabers. Betroffene können folglich gegen den Administrator einer Facebook-Seite vorgehen.
meinanwalt.at: Was kann gegen den Hassposting-Verfasser unternommen werden?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Gegen bekannte Täter kann mittels zivilrechtlicher Unterlassungsklage oder strafrechtlich vorgegangen werden. Ist der Täter unbekannt, kommt eine Strafanzeige gegen unbekannte Täter oder ein Aufforderungsschreiben an den Website-Betreiber in Frage. In bestimmten Fällen kann auch noch mittels Löschungsantrag an die Suchmaschine vorgegangen werden.
meinanwalt.at: Wie funktioniert die Einbringung eines Löschungsantrags an die Suchmaschine?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Suchmaschinen verarbeiten personenbezogene Daten durch das Indexieren, Speichern und Bereitstellen von Informationen. Grundsätzlich ist der Suchmaschinenbetreiber für die Suchmaschine verantwortlich. Am Beispiel von Google bedeutet das nach der Google-Spamer-Entscheidung, dass Ansprüche bei der lokalen Google-Werbetochter geltend gemacht werden können. Durch das Vorgehen gegen den Suchmaschinenbetreiber kann ein Entfernen der Ergebnisse von der Ergebnisliste bewirkt werden.
meinanwalt.at: Ein weiteres Problemfeld im Internet stellen Werbemails dar. Wie sind diese rechtlich zu beurteilen?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Die Versendung von Werbemails ist nach dem Telekommunikationsgesetz ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt oder an mehr als 50 Empfänger (Massenmails) gerichtet ist.
meinanwalt.at: Sind Werbemails immer unzulässig oder bestehen Ausnahmen?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Eine Ausnahme besteht beim Customer Relationship Management. Die vorherige Zustimmung des Empfängers ist nicht notwendig, wenn der Absender die Kontaktinformation des Empfängers durch Verkauf oder Dienstleistung erhalten hat, die Nachricht zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen erfolgt, der Empfänger die Möglichkeit erhalten hat, eine solche Nutzung der elektronischen Kontaktinformation bei deren Erhebung und zusätzlich bei jeder Übertragung kostenfrei und problemlos abzulehnen und der Empfänger die Zusendung nicht von vornherein abgelehnt hat.
meinanwalt.at: Was passiert, wenn Werbemails ohne erforderliche Zustimmung versendet werden?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Die Konsequenzen einer Gesetzesverletzung sind eine hohe Verwaltungsstrafe und/oder eine Unterlassungsklage samt Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung von einem Konkurrenten oder einem Schutzverband.
meinanwalt.at: Wir haben jetzt sehr viel über die Risiken im Internet gehört. Wird die Gesetzeslage an die vermehrten Rechtsprobleme angepasst?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 führt erstmalig Cybermobbing als Straftatbestand in § 120a StGB ein. Die Regelung nennt sich „Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“, wodurch Cybermobbing künftig mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr Haft bestraft wird. Voraussetzung ist die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches oder die Verletzung der Ehre im Wege der Telekommunikation oder über ein Computersystem.
meinanwalt.at: Haben Sie abschließend einen Rat für Betroffene?
Dr. Johannes Öhlböck LL.M.: Im Fall von Rechtsverstößen in Online Netzwerken und anderen Websites empfiehlt es sich, schnell zu handeln und vor allem auch Beweise (Screenshots, Download als Datei, Ausdrucke) zu sichern. Bei anonymen Postings kann man juristisch gegen den Betreiber der entsprechenden Seite vorgehen und verlangen, dass rechtswidrige Äußerungen gelöscht werden. Bei Klarnamen sieht es gut aus - da greift die Palette des Gesetzes.
meinanwalt.at: Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. ist vorwiegend im Wirtschaftsrecht, Handelsrecht (Unternehmensrecht), Internetrecht und Privatrecht tätig. Er verfügt über Erfahrung als Stiftungsvorstand sowie in der Beratung von Aktiengesellschaften und GmbHs und ist als Vortragender an der Donau-Universität Krems und der Universität Wien tätig.
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