Arzthaftung – wie gehe ich mit ärztlichen Behandlungsfehlern um?

Krankenanstalten und niedergelassene Ärzte haben als Dienstleistungserbringer einen wichtigen Auftrag im Rahmen der Versorgung von Patienten wahrzunehmen. Leider kommt es dabei vor, dass die ärztliche Dienstleistung nicht dem entspricht, was sich der Patient vorstellt bzw. dem Patienten aus der Behandlung ein Nachteil entsteht. Auch wenn vielfältig rechtliche Rahmenbedingungen für den Umgang mit den daraus resultierenden Situationen bestehen und geschaffen wurden, ist der Umgang mit dem Thema Arzthaftung für viele ein rotes Tuch.

Mag. Peter REZAR | 22.06.2016 | Arzthaftungsrecht Seite drucken

Aufklärungspflichtverletzung vs. Diagnosefehler vs. Fehlbehandlung

Der Oberste Gerichtshof hat im RS0025546 festgehalten, dass auf den Behandlungsvertrag zwischen Patienten und Arzt, wenn dieser nicht überhaupt als Werkvertrag zu beurteilen ist, zumindest die Bestimmungen über die Vertretungsbefugnis bei Werksvertrag und Bevollmächtigungsvertrag analog anzuwenden sind. Das bedeutet im Wesentlichen, dass der Arzt oder die Krankenanstalt (durch den Arzt) Pflichten auferlegt bekommt, aus deren Verletzung haftungsrelevante Fragen entstehen können.

Im Wesentlichen unterteilen sich die Ansprüche infolge Probleme nach einem Arztbesuch in zwei, je nach Differenzierung in drei Kategorien: die Aufklärungspflichtverletzung, den Diagnosefehler und die ärztliche Fehlbehandlung („nicht-lege-artis- Behandlung“).

Die Aufklärungspflichtverletzung ergibt sich aus dem Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patienten.

Der Arzt hat im Rahmen der Heilbehandlung zunächst die Pflicht, den Patienten über Art, Umfang, Schwere und Gefahren sowie schädliche Folgen der Behandlung zu informieren und zusätzlich alternative Behandlungsmethoden zu thematisieren. Naturgemäß ist auch damit eine Abschätzung der Erfolgsaussichten verbunden. Ursprung hat die Aufklärungspflicht als (vor-)vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflicht des Vertragspartners im Recht des Patienten auf Selbstbestimmung. Der Patient muss also die Möglichkeit haben, die Folgen der ärztlichen Behandlung und deren möglichen Erfolg abschätzen zu können und diese auch notfalls abzulehnen.

Dabei wird oft übersehen, dass der Vorwurf der mangelnden Aufklärung für den Arzt – vor allem prozessrechtlich – sehr gefährlich werden kann: es besteht für den Fall der Aufklärungspflicht die Verpflichtung des Arztes, die durchgeführte Aufklärung des Patienten zu dokumentieren, was im Ergebnis eine Beweislastumkehr bedeutet. Der Arzt muss also nicht nur über die Behandlung und deren Folgen vollumfänglich aufklären, sondern im Streitfall die erfolgte Aufklärung auch beweisen. Ein ärztlicher Eingriff in die körperliche Integrität eines Patienten darf nur dann vorgenommen werden, wenn der Patient zustimmt. Was so einleuchtend klingt bedeutet aber im Weiteren, dass der Patient nur dann wirksam zustimmen kann, wenn er auch ausreichend aufgeklärt wurde. Der Arzt haftet in jedem Fall für Nachteile, die einem Patienten infolge eines – wenn auch geglückten – Eingriffes entstehen, da der Eingriff ohne Nachweis der Aufklärung (und damit ohne Nachweis der Einwilligung) rechtswidrig ist. Der Patient hätte, wäre er über die Behandlung und deren Folgen ausreichend aufgeklärt worden, die Möglichkeit gehabt (und im Prozess behaupteter Weise wahrgenommen), eine andere Behandlungsmethode zu wählen oder sich dem Ein- griff schlicht nicht zu unterziehen.

Die „Nicht-lege-artis-Behandlung“, zu der im weiteren Sinn auch der Diagnosefehler zählt, betrifft jenen Teil des Arzthaftungsrechts, in welchem der Patient zu beweisen hat, dass der eingetretene Schaden infolge schuldhaftem Verhaltens des Arztes verursacht wurde. Vorweggenommen wurde hier bereits, dass keine Beweislastumkehr wie bei der Aufklärungspflichtverletzung besteht, was seinen Ursprung im allgemeine Schadenersatzrecht hat: der Geschädigte hat das Verschulden des potentiellen Schädigers zu beweisen.

Prozessual wird dieser Beweis, wenig überraschend, durch die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen (der natürlich selber Arzt auf dem jeweiligen Gebiet ist) erbracht. Dabei wird überprüft, ob die durchgeführte Behandlung den Regeln der Kunst und dem aktuellen Stand der medizinischen Technik entspricht, ob die Diagnose auf Basis ausreichender Befunde erstellt wurde und allfällige alternative Behandlungsmethoden existieren, die ein für den Patienten besseres Ergebnis geliefert hätten.

Der Variantenreichtum der Fehlbehandlung ist riesig und lässt wohl nur im Einzelfall eine detaillierte Vorgehensweise erklären. Dies soll jedoch weder Arzt noch Patient abschrecken, sich der Herausforderung eines Haftungsprozesses zu stellen.

Schiedsstellen

Die Bundesländer haben Ihre Aufgabe als Krankenanstaltenträger erkannt und Patienten- schlichtungs- bzw. Patientenschiedsstellen eingerichtet. Diese sind in zwischenzeitig auch für den niedergelassenen Bereich in (fast) allen Bundesländern tätig und bieten eine meist weniger bürokratische und auch oft schnellere Möglichkeit, Zwistigkeiten nach Arzt- Patienten-Konflikten auszuräumen. Der Verfahrensablauf ist dabei in sämtlichen Bundesländern ähnlich: nach Beschwerde durch den Patienten wird der Arzt kontaktiert und dann in einer gemeinsamen Sitzung mit Ärztevertreter, Patientenvertreter, Schlichtungskommission und Beiziehung eines Sachverständigen die Angelegenheit erörtert. Nachteilig ist, dass die von der Schlichtungsstelle ausgegebene Entscheidung für keinen der Anwesen- den in irgendeiner Art und Weise bindend ist, sich also weder Arzt, Krankenanstalt, Haftpflichtversicherung, aber auch nicht der Patient an die Meinung der Schlichtungsstelle halten muss. Danach folgt meist der Gang vor ein ordentliches Gericht, sei es, weil der Patient die „Ablehnung“ seiner Beschwerde nicht hinnehmen möchte oder die Ärzteschaft die Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht erfüllt.

Einzelfall entscheidet!

Wie in vielen Bereichen ist eine profunde Kenntnis des Sachverhaltes, sei es aus Sicht des Arztes, der Krankenanstalt, der Haftpflichtversicherung oder natürlich aus Sicht des Patienten, notwendig, um einen Wegweiser durch die Wagnisse eines Arzthaftungsprozesses zu begleiten. Keiner der Beteiligten sollte sich scheuen, die ihm zustehenden Ansprüche mit dem von der Rechtsordnung gebotenen Mitteln zu verfolgen; aber auch nicht die Verantwortung aus Angst vor Reputationsverlust schlicht abstreiten oder blind seiner Haftpflichtversicherung übergeben.

 

Mag. Peter Rezar ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien. Zu seinen Beratungsschwerpunkten zählt das Medizinrecht (Arzthaftungsrecht), Zivilrecht, Transport- und Speditionsrecht, Versicherungsrecht, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht, Insolvenzrecht, Mietrecht sowie das Strafrecht. Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. Peter Rezar bei meinanwalt.at sowie auf der Website der Kanzlei Riegler Rebernig Rechtsanwälte ALL RIGHT.

 

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